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380 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1902.)
sagt ein alter Weiser; „das Bewusstsein erfüllter Pflicht"
sagt Nelson] „Leiden und Schmerzen mindern," sagt
Hans Beringer, und sein ganzes Leben hindurch hat er mit
heroischer Selbstverleugnung die Gesinnung bethätigt, welche
sich in diesem Wahlspruche kundgiebt. An der Thierschutzbewegung
hat er 42 Jahre lang Theil genommen, Obwohl
er in seinem jüngeren Mannesalter das politische Wirken in
den Vordergrund seiner Thätigkeit stellte, — in Nürnberg
und München bildete sein gastliches Haus einen Sammelpunkt
für Förderer der nationalen Sache, — hat er doch schon
damals mit grosser Wärme gegen Thierquälereien jeglicher
Art gekämpft. In den 70er Jahren erkannte er aber, dass
er durch keine andere Thätigkeit seinen Drang, Leiden und
Schmerzen zu lindern, mit solchem Erfolge bethätigen könnte,
wie durch die Förderung der Thierschutzbewegung. Nachdem
er und seine edle, ihm gleich gesinnte Grattin zu dieser
Einsicht gekommen waren, haben sie beide mit übermenschlicher
Anstrengung ihrer Kräfte, unter Verzicht auf jede
Erholung, auf alle Behaglichkeit des Lebens, rastlos gekämpft,
um die von ihnen tief mitgefühlten Leiden der gequälten,
unmündigen Kreatur zu lindern. Im Jahre 1885 trat Beringer
als königlich bayerischer Telegraphen-Inspektor aus dem
Staatsdienst aus und übersiedelte nach Berlin. Hier gründete
er den „Berliner Thierschutz-Verein zur Bekämpfung der
Thierquälereien im Deutschen Reich41 und den „Deutschen
Leb rer-Thi erschutzverein.u Durch diese Vereine haben Hans
und Mela Beringer weit über 200 musterhaft geschriebene
Flugblätter, Kalender und Broschüren herausgegeben und
in vielen Millionen Exemplaren in allen Schichten des Volkes
verbreitet; den weitaus grössten Theil dieser Schriften, in
welchen mit grosser Saehkennlniss alle Fragen des Thierschutzes
behandelt werden, haben beide selber verfasst und
auch alle ihre ersparten Geldmittel zum Vertrieb dieser
Schriften verwendet. Ausser durch diesen Schriften Versand
suchten sie durch Briefe an gleichgesinnte Menschen, durch
mündliche Unterredung mit einfiussreichen Personen, durch
Eingraben an die Behörden, durch Vorträge und durch jedes
andere ihnen zu Gebote stehende Mittel die Ausbreitung
ihrer Bewegung zu fördern. Auf diese Weise haben sie es
verstanden, weiten Kreisen des deutschen Volkes die Be-
duutuiig der Thierschutzbewegung verständlich zu machen
und besonders die deutsche Lehrerschaft anzuregen, eine
gerechte und barmherzige Gesinnung gegen die Thiere in
den Herzen der Kinder zu pflegen, ihr Mitleid zu wecken,
worin jeder echte Menschenfreund mit Schopenhauer ein
Hauptziel richtiger Erziehung erblicken muss. Am 23. Oktober
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