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Kurze Notizen.
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Tag und Nacht einander ablösenden Dienst, sodass Mr. P.
jederzeit mit der Aussenwelt — freilich nur durch Auge,
Ohr und Sprache — im Kontakte bleibt. Seine Experimente
sind das Resultat eines langjährigen beharrlichen
Trainings und einer ganz besonderen Anlage zur Ausübung
der eigenen Willenskraft. Im Gegensatz zu jener Art von
Hungerkünsten ist bei den Experimenten des Mr. P. jegliche
Gefahr für sein Leben ausgeschlossen und ist that-
sächlich seine Gewichtsabnahme während dieser Zeit eine
äusserst geringe. Jedoch wird mehr des wissenschaftlichen
Interesses wegen ein Komitee von ärztlichen Kapazitäten
zusammentreten, welches während jeder Stunde des Tages
und der Nacht die Experimente verfolgen wird.
/) Ueber Suggestion und Hypnotismus bei
Pferden hat (laut „Leipz. Neuest. Nachr." Nr. 99 vom
11. April er.) Dr. Rouhet in einem inhaltreichen Werk über
die „vollständige Erziehung des Menschen" einige auffallende
Mittheilungen aus eigener Erfahrung veröffentlicht. Seit
langer Zeit hat sich Rouhet mit der Dressur von Pferden
beschäftigt und dabei festgestellt, dass der energische
Wille des Menschen auf das Pferd eine Wirkung zu erzielen
vermöge, die bis zur Suggestion und sogar bis zur
Erzeugung eines hypnotischen Zustandes führen könne. Vom
allgemeinen Standpunkt betrachtet, wäre es gar nicht ersichtlich
, warum die höheren Thiere, also auch das Pferd,
suggestiven und hypnotischen Beeinflussungen nicht zugänglich
sein sollten. Schon die Thatsache der Dressur spricht ja
dafür; denn eigentlich handelt es sich dabei doch lediglich
darum, dass der Wille des Menschen dem Thier suggerirt
wird. Es muss also gewissermassen eine leitende Verbindung
zwischen der Gehirnthätigkeit beider Wesen hergestellt sein.
Wie diese zu Stande kommt, ist freilich bisher wissenschaftlich
noch nicht aufgeklärt worden. Für ihr thatsächliches
Vorhandensein erbringt Rouhet einige hübsche Beweise. Er
hat seine Pferde mittels einer Art geistiger Erziehung dressirt.
Das eine nimmt ihm das Taschentuch aus der Tasche und
findet es sogar mit verbundenen Augen aus einem Versteck
heraus. Die Stute „Olga" stösst ihren Herrn mit dem Kopfe,
sobald dieser es wünscht, und sie ist so geduldig, dass Rouhet
auf ihr ausgestreckt schlafen kann, solange es ihm gefällt,
ohne dass das Thier sich regt. Die Stute vermag auch
aufrecht in einem Stuhl zu sitzen. Das sind nur Kunststücke
der Dressur, wie man sie fast in jedem Oircus zu sehen
bekommen kann. Das Neue an den Erfahrungen von Dt. Rouhet
liegt darin, dass er das Nervensystem eines seiner Pferde,
das er auf den Namen „Germinal" getauft hat, so voll-
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