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Litteraturbericht.
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christliche Zeiten zurückreichen. Wenn man zu einer grossen Zahl
der aufgestellten Lehren vom theoretischen wie vom historischen
Standpunkte aus ein solches „angeblich" hinzusetzen muss, so würde
vielleicht dagegen eingehalten werden, der beschränkte Raum habe
eine genauere Begründung nicht zugelassen. In der That erscheinen
die vorgetragenen Lehren vielfach ebenso gewagt, wie die der Theo-
sophischen Gesellschaft; aber während letztere sich auf indische
geheime Tradition beruft und jede nähere Quellenangabe schuldig
bleibt, haben wir hier mit vorzugsweise abendländischer Tradition
zu thun, welche zahlreiche, wenn auch manchmal etwas zweifelhafte
Autoritäten aufzuweisen hat und stellenweise ausdrücklich an Erfahrungswissenschaft
im engeren Sinne anknüpft. Damit wird in
flüchtigen Umrissen ein Lehrgebäude entworfen, in dessen einzelnen
Theilen man sich ziemlich mühsam zurecht findet, das aber so vielseitige
Ausschlüsse über die Natur des Menschen, über wissenschaftliche
Methode, über das Verhältniss des Menschen zu Gott und Welt,
über die Grundlage der Moral und der Gesellschaftslehre in Aussicht
stellt, dass man wohl zu weiterem Eindringen noch grössere Mühe
nicht scheuen möchte, wenn nur die aufgeführte Litteratur leichter
zugänglich und leichter geniessbar wäre. Die Bibliographie enthält,
neben einigen antiken und vielen mittelalterlichen Schriftstellern,
aus neuerer Zeit ausschliesslich französische Werke. Mit fremder
Litteratur und Sprache stehen ja selbst gelehrte Franzosen — wenn
sie nicht zur Zahl der allerdings hochverdienten Philologen vom Fach
gehören — noch immer auf etwas gespanntem Fusse, und viele Schriftstellernamen
erscheinen hier bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Das
Werkchen muss also mit ebenso viel Vorsicht als Aufmerksamkeit
gelesen werden. Wer sich aber auf okkultistischem Gebiete einiger-
massen orientiren will, der wird es studiren müssen, da es als bequemes
Handbuch der Lehren der „Union id^aliste universelle11 wohl einzig
in seiner Art ist, — und er wird es mit Interesse und Nutzen studiren.
Den merkwürdigen Inhalt, also den Kern der „hermetischen Wissenschaften
" auch nur in den Hauptpunkten anzudeuten, erscheint
innerhalb der Grenzen dieser Anzeige unmöglich. Es findet sich wohl
Gelegenheit, es in ^inem besonderen Aufsätze zu versuchen. Wernekke.
Gedanken eines TJngelehrten über JEbbe und Mut und ihre
Ursachen. München, F. C. Mick!. 1902. (24 S. 8°).
Dass gelegentlich wissenschaftliche Wahrheiten von „Ungelehrten"
entdeckt, namentlich auch Instrumente und Maschinen von Laien
erfunden werden, lässt sich aus der Geschichte der Wissenschaften
mit manchen Beispielen .belegen, und in der Gegenwart, wo die
Specialforschung sich so vertieft und beschränkt, dass sie Aufmerksamkeit
und Verständniss meist nur für das hat, was unmittelbar auf
ihrem vorgezeichneten Wege liegt, kann eben deshalb eine unbefangene
Aeusserung eines Fernstehenden unter Umständen ganz beachtens-
werth und fruchtbringend sein. Wenn wir also entfernt davon sind,
Auseinandersetzungen wie die vorliegende von vornherein abzuweisen,
so darf doch andererseits gefordert werden, dass die Kritik an Theorien,
die sorgfältig begründet und durch lange Beobachtung erprobt sind,
nur auf Grund einer genaueren Bekanntschaft damit geübt werde.
Zöppritz in Wiesbaden) entzogen. Mit so allgemeinen Bemerkungen
über den Ursprung der Gezeiten, wie er sie nach W. Langer und nach
Nasmyth und Carpenter citirt, ist man bei weitem nicht orientirt über
„ein Phänomen, welches eine Vereinigung der schwierigsten Lehren
verlangt, die die Physik und Astronomie darbieten, — nicht nur eine
genaue Kenntniss der Gravitationsgesetze und der Umlaufszeiten
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