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Dankmart Geistige tmd soziale Strömungeü etö.
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Staub von sich," er ist der Metempsychose gewiss und als
sein Heinrich (im V. Capitel des „Heinrich von Ofterdingen") in
der Höhle des Einsiedlers das wunderbare Buch findet,
erblickt er in diesem sein eigenes Ebenbild in verschiedenen
Lagen eines vergangenen und zukünftigen Lebens. Eine
mystische Prädestination, welche sich in Traumgesichten
und „Ahndungen offenbart, ist der Engel, der uns hier
sicher geleitet." Seine Mystik, die er erlebt, ist das Erdreich
, aus dem seine schwermüthige Kunst spriesst, von den
„Hymnen an die Nacht" bis zum Bomanfragment „Ofterdingen
." Er hat seinen eigenartigen Mystizismus selbst einen
„magischen Idealismus" genannt, und ohne Studien über
supranormale Fähigkeiten, Schlaf zustände u. s. f. zu machen,
thut er tiefe Blicke ins Uebersinnliehe; „Es dünkt dem
Menschen — so sagt er in seinen „Fragmenten14 — als
se;. er in einem Gespräch begriffen, und irgend ein unbekanntes
, geistiges Wesen veranlasse ihn auf eine
wunderbare Weise zur Entwickelung der evidentesten
Gedanken. Dieses Wesen muss ein höheres Wesen sein,
weil er sich mit ihm auf eine Art in Beziehung setzt, die
keinem an Erscheinungen gebundenen Wesen möglich
ist." Haben wir hier nicht den „Schutzfrist" eines Tasso, den
„Spiritus familiaris" eines Facius Cardanus, den „Führer"
von Kerner\ Somnambuler vor uns? Nur in der Form,
dass der Inspirator als eigenes transscendentales Subjekt,
das über unsere Empfindungsschwelle hinweg Vorstellungen
in unser sinnliches Bewusstsein sendet, geahnt wird,
obgleich er als fremdes Subjekt erscheint.*) „Alles
Sichtbare haftet44 nach Novalis „am Unsichtbaren", das
„Hörbare am Unhörbaren", das „Fühlbare am Unfühlbaren."
Ferner sagt er: „Der Mensch vermag in jedem Augenblick
ein übersinnliches Wesen zu sein. Je mehr wir uns
dieses Zustandes bewusst zu sein vermögen, desto lebendiger
ist der Glaube an Offenbarungen des Geistes. Es ist kein
Schauen, Hören, Fühlen, es ist mehr als alles Dreies: eine
Empfindung unmittelbarer Gewissheit, eine Ansicht wahrhaftesten
Leben8." Endlich: „Ganz begreifen werden wir
uns nie, aber wir können uns weit mehr als begreifen."
Interessant ist auch folgende Ausführung in seinen
„Fragmenten" über das Ideal der Sittlichkeit, das
keinen „gefährlicheren Nebenbuhler" hat, als das Ideal der
höchsten Stärke, des kräftigsten Lebens: „Es ist
das Maximum des Barbaren und hat leider in diesen
Zeiten der verwildernden Kultur gerade unter den grössten
*) du Preli „Philosophie der Mystik". III, 2. c.
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