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Fiedler: Spiritualismus und Materialismus
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gröberen Einwirkungen zugänglich, während der höhere und
feinere in leichterer Weise geringere Eindrücke aufzunehmen
vermag. Wir sehen also, dass für den Materialisten die
Stoffreihe schon beim groben, nur für physikalische Einflüsse
zugänglichen Aether aufhört, während der Spiritualist die
Stoffreihe noch um das Doppelte fortsetzt. Hierbei zeigt
sich also der Materialist mit einer äusserst mangelhaften
Naturerkenntniss ausgerüstet —
Zum Weiteren entwickelt sich hieraus der bisher schon
bekannte Unterschied der Weltanschauungen; denn wenn
aus der niederen, todten, empfindungslosen Grobstoffwelt
Pflanzen; Thiere und Menschen entstehen können, so müssen
desto eher aus ^er übersinnlichen Welt (der fortgesetzten
Stoffreihe) sich die übersinnlichen Ergänzungstheile bilden
können. Warum sollte sich nur der grobe, starre Stoff an
der Bildung der organischen Welt betheiligen? Muss aber
di<* organische Welt als ein aus der grobstofflichen und
übersinnlichen Welt zusammengesetztes Produkt anerkannt
werden, so ergiebt sich von selbst, dass auch einzelne Formen
und Zusammenstellungen für sich allein bestehen können.
Wie die grobstoftliche einbalsamirte Leiche Jahrtausende
alt werden kann, so kann auch der abgelöste übersinnliche
Körper, der ja die eigentliche Ursache der Grobkörperbildung
ist, auch für sich bestehen, und damit ist der theoretische
Beweis von der Existenz der Geister gegeben. —
Die Streitfrage ob Materialismus, ob Spiritualismus,
drängt sich also in die einfache Frage zusammen: ,,Wo hört
die Stoffreihe auf?" Hier hat der Spiritualismus endlich ein
Gebiet, auf dem er den Materialismus ein für alle mal schlagen
kann; denn ihn auf übersinnlichem Gebiet zu einer Entscheidung
zu zwingen, ist unmöglich, weil er sich gar nicht
auf dieses Gebiet wagt, und wo kein Feind ist, kann auch
keiner geschlagen werden. Die Grundlage für die spirituali-
stische Weltanschauung ist nun die, dass alle mit Empfindungsfähigkeit
begabten grobstofflichen Körper diese durch
die Beimischung und Ergänzung mit Stoffen, welche die Eigenschaft
der Empfindungs wahrnähme haben, erhalten. Ausserdem
erhalten die an sich formlosen höheren Stoffarten durch die
Einkörperung in Grobstoffe die niedere Fähigkeit, für kürzere
oder längere Zeit äusserlicb abgegrenzte Formen annehmen
zu können. Der Zweck der Stoffvermischung ist also der,
dass der niedere Stoff zeitweise empfindbar gemacht oder
beseelt wird, und der höhere Stoff in bestimmte, eine persönliche
Eortdauer ermöglichende Formen gebracht wird.
Ausser diesem äusserlichen giebt es noch einen inneren
Zweck, den auszuführen hier jedoch nicht der Platz ist.
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