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436 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1902.)
grösste Erfindung seit dem Telephon! Wir sind zwar
schon jetzt wohlhabend, wenn aber das neue Licht erst fix
und fertig ist, dann sind wir bald Millionäre! Dieses Licht
wird noch Staunen und Wunder erregen, wenn unsere Gebeine
schon längst modern."
„Sei bloss recht vorsichtig, lieber Mann, mit deinen
Experimenten", mahnte dann stets meine Mutter. ^Ich habe
immer eine schreckliche Angst vor Explosionen."
„Ach was, Angst! Die Geschichte mit den Explosionen
ist nun vorbei. Jetzt giebt's keine mehr. Und schliesslich
ist dabei auch bloss mal ein Fenster entzwei gegangen.
Warte nur, Mutter, in einem Jahre kaufe ich dir ein Halsband
von Brillanten, das einer Fürstin würdig ist."
Mutter schüttelte den Kopf und lächelte. „Mein Mann
mit gesunden Armen und Beinen ist mir lieber als solches
Schmuckzeug4*, erwiderte sie.
Von allen Versuchen, die mein Vater anstellte, machte
er sich genaue Notizen. In der Regel unterstützte ich ihn
bei allen Experimenten. Es war ihm sehr viel daran gelegen
, dass ich in alles ebenso gründlich eingeweiht sein
sollte wie er selber.
„Wenn mir wirklich mal etwas zustösst, Hans", meinte
er, „musst du allein weiter arbeiten. Es ist zwar alles in
schönster Ordnung, aber man kann doch nicht wissen, was
dazwischen kommt. Du hast sämmtliche Aufzeichnungen
und verstehst schliesslich die Sache ebensogut, wie ich. Sollte
mir also wirklich mal was passiren — es wird aber nichts
passiren, verlass dich drauf, und ich bin ja erst fünfundfünfzig
— dann musst du unermüdlich weiter arbeiten, mein
Junge, und wäre es auch nur um meinetwillen. Denn diese
Erfindung ist mein höchster Ehrgeiz!"
* *
Mein Vater war in dem letzten Zimmer des Laboratoriums
mit seinen Cylindern und Retorten beschäftigt, und
ich hielt mich in dem Vorraum auf, wo ich einen Meissel
auf dem Schleifstein schärfte. Da erfolgte eine furchtbare
Detonation und ich sah, wie die Glasscherben aus den
Fenstern des letzten Zimmers hinausflogen. Ich stürzte dorthin
und sah meinen Vater am Boden liegen, blutend und
bewusstlos — und um ihn her nichts als Trümmer.
Meine Mutter war nicht daheim, aber Dienstboten
waren sogleich zur Stelle und wir brachten den Verletzten
schnell auf das Sofa im Wohnzimmer, wo gleich darauf auch
der Arzt erschien. Mein Vater erlangte zwar das Bewusst-
sein auf etwa eine Stunde wieder, das war aber auch alles.
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