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Barth i Die spiritistische Krisig in Italien.
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mit Phosphor bestrichenen Einger in der Luft spielen lässt
und dergleichen. Dann packt das Medium mit einem Ruck
der Zähne den Staubwedel und berührt damit die Nachbarn,
die alsbald in den Ruf ausbrechen: „Ich fühle ein bärtiges
Gesieht!" Oder es wirft ebenso mit den Zähnen die bereitgehaltenen
Blumen — ä la Anna Rothe — in die Luft.
Schliesslich markirt das Medium den vielgepriesenen Empor-
tlug, indem es, — während die Nebensitzer immer seine
beiden Füsse zu kontroliren glauben, mit dem einen Fuss
elastisch auf den Stuhl und vcn dort dann auf den Tisch
hüpft und während des Emporsteigens rasch mit dem anderen
Fuss a tempo die Wangen der Beiden streift, so dass der
Eindruck des Fliegens erzielt wird. Glanzpunkt und Ende
der Sitzung bildet natürlich die Erscheinung des durch eine
phosphoreszirende Maske dargestellten Geistes, der — je
nachdem die Hand des Mediums ihn hinter dem Vorhang
des Dunkelkabinets bewegt — sich zu nähern oder zu entfernen
scheint. —
Man kann wohl sagen, dass mit diesen Enthüllungen
die Sache des Spiritismus in Italien eine Art Sedan erlitt;
dazu kam noch, was man über die früheren Thaten und
Abenteuer der Siegerin im Weltmedienrekord, Eusapia Palla-
dino, erfuhr. Nämlich nichts Geringeres, als dass im Jahre
1886 eine lustige Gesellschaft in Neapel, die Herren Getzei,
Dworzak und Andere, einen (falschen) spiritistischen Klub
mit vier angeblichen Wundermedien aufthaten. Eusapia und
ihr Anhang wurden geladen, und der sogenannte Kontrol-
geist der Eusapia, John King, ging wie ein dummer Teufel
auf den Leim und unterhielt sich in langen Sitzungen aufs
Köstlichste mit den fingirten Geistern der Ulkmedien!! Die
Farce wurde — ohne dass die Fanatiker es merkten! —
schliesslich so weit getrieben, dass es zu einem ... Geisterduell
mit Geisterkartellträgern kam, wobei der Dichter
Roberto Bracco — aber zum Glück nur im Geiste — todt-
geschossen wurde. Die gute Palladino wurde, als die Ulkbrüder
ihr von halb Neapel geglaubtes Scherzspiel enthüllten,
dermassen blamirt, dass sie schleunigst aus Neapel verschwand
. Nicht viel Besseres erzählt die „Patria" über
Eusapidz Römischen Rivalen, den Uhrmacher Politi, der noch
mächtiger sein soll als Eusapia und in jeder Söance ein
Dutzend Geister aufmarschiren lässt. Auch Politi wird als
Betrüger und Fussoperateur dargestellt, der aus einer seiner
Zeit zum Jux begründeten Römischen Mediumschule hervorgegangen
sei. Sämmtliche Mitzöglinge Politts seien bereit,
auch gerichtlich zu bezeugen, dass ihre Mediumschaft nur
fingirt und auf gegenseitige Unterhaltung berechnet war.
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