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446 Pöyohisohe Studien. XXIX. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1902.)
Herr Wilhelm Kuhaupt, im Juni-Heft dieser (aus der Berliner
„Psyche" entstandenen) orthodox-spiritistischen Monatsschrift
aus Anlass einer Besprechung der interessanten Broschüre
von Robert Wiesendanger, dessen Urtheil er zu dem seinigen
macht, mit anerkennenswerther Offenheit sich S. 215 dahin
äussert: „Betrug ist da und der Betrug ist durch die
Entlarvung seitens der Kriminalpolizei erwiesen. Ich bin
sogar überzeugt, dass ich, kurze Zeit vor jener Entlarvung,
in einer Prüfungssitzung in meiner Wohnung betrogen wurde,
und dennoch behaupte ich, dass Frau Rothe ein bedeutendes
physikalisches Medium ist und dasp sie wohl häufig, aber
nicht immer betrogen hat. Das Ergebniss der eben
erwähnten, in meiner Wohnung stattgehabten Prüfungssitzung
, auf welche Dr. Egbert Müller sein Urtheil bezüglich
der Echtheit der Frau Rothe zum Theii stützt, gab mir
Veranlassung, den Ehrenvorsitzenden der Loge, C. Schoenherr,
darauf aufmerksam zu machen, dass meine Ueberzeugung
von der Ehrlichkeit des Mediums erschüttert
sei. Aus Anlass dieses hat Herr Schoenherr in der nächsten
Sitzung des zweiten Logengrades den Fall Rothe zum Gegenstand
einer eingehenden Erörterung gemacht und es wurde
einstimmig beschlossen, das Medium unter Heranziehung von
zwei praktischen Aerzten, die die körperliche Untersuchung
vornehmen sollten, auf das Gewissenhafteste zu prüfen. Von
dem Ausfall dieser Prüfung sollte die Stellung der Loge
„Psyche" in der Rothe-Affdive abhängig gemacht werden. Die
Thatsache ist protokollarisch festgelegt und ich
habe auch dem Untersuchungsrichter, Herrn Landgerichtsrath
Kruspi, gelegentlich meiner Vernehmung im Landgerichtsgebäude
(Moabit) Kenntniss hiervon gegeben."
b) Von dem verhängnissvollen Glauben einer
Frau an einen Wahrsager erzählt unter der Ueber-
schrift: „15 Jahre in Qual" „The Ceylon Independent" vom
Samstag, 22. Februar er., die nachfolgende Geschichte, die
zur Warnung vor Erpressungen schamloser Betrüger dienen
soll: „Eine ungewöhnliche Erzählung von Leichtgläubigkeit
kam jüngst bei einer in Wolverhampton stattgefundenen
Untersuchung über den Tod einer verheiratheten Frau zur
Sprache, die sich selbst vergiftet und den Versuch gemacht
hatte, ihr Kind zu vergiften. Der gesetzliche Leichenbeschauer
las einen von der Verstorbenen geschriebenen Brief vor,
worin sie von einem alten Mann mit weissem Haar berichtete,
der sich als „Wahrsager des Schicksals" bekannte. Sie war
nie wieder dieselbe Person, noch konnte sie für normal
gelten, seitdem sie aufgefordert worden war, eine andere
Frau zu diesem alten Manne zu begleiten; sie schien seither
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