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Dackmar: Geistige und soziale Strömungen etc.
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musste einen Geist wie Werner, das Geheimbundwesen mit
seinen Stufen, Kreisen, Mutter- und Tochter-Logen, ahnungsvollen
Geheimnissen und mystischen Ceremonien bei Aufnahme
des Neophyten ungemein reizen und anziehen. Das Alles
fand er nun zu Einem vereinigt im Orden der Tempelherrn.
Schon anderwärts *) ist von unserer Feder geschildert worden,
was der Templerorden in seinem innersten Kerne gewesen
ist: nach seinem kirchlichen Ritus eine sektenartige Abweichung
, eng verwandt mit der katharisch-paulicianischen
Lehre und als Orden im Orden, der blos wohlgeprüften
Einzelnen, als „Consolatis" (Getrösteten, d. i. „mit Feuer
Getauften") zugänglich war, eine frenetische Haeresie,
welche die grösste Aehnlichkeit mit dem Ophitismus hatte.
Werner nun behandelt das tragische Endgeschick dieses
Ordens in einer zweitheiligen Tragödie: „Die Söhne des
Thals" (1801—1803 ), in welchem er mit dem historischen
Stoffe ziemlich willkürlich umspringt und den Orden, resp.
als dessen Repräsentanten den letzten Grossmeister Jakob
Molay, deshalb untergehen lässt, weil die Mutterloge des
Ordens, deren Ideal dieser nicht mehr entspricht, es so will.
Die Geheimnisse, welche Robert d'Oredin im „Thale" von dem
Alten geoffenbart werden, sind dunkel und tief, und ihr
Hauptinhalt lässt sich in der Weihe der Entsagung und
Opferung für das Höhere und in dem Orakelworte: „Aus
Blut und Dunkel quillt Erlösung" zusammenfassen.
Um auf dieses dramatische Gedicht Etwas näher einzugehen,
ist die zweimalige Erscheinung von Molat/s Oheim, Marschall
Endo (I. Theil V, 18 und II. Theil IV, 16) zu erwähnen.
Leider aber spielen Werner*$ Geister stets die Harfe. Eine
üble Gewohnheit das! Als grossartig sind die Szenen im
1. Theile (V. Akt) zu bezeichnen, in denen die Aufnahme
des Neophyten in den Geheimbund des Ordens geschildert
wird. Dabei liest man Adalbert die Mär von dem „gefallenen
Meister" vor, und diese ist eine ganz willkürliche Verschmelzung
des Baffomet-Mythus**) mit dem freimaurerischen
*) S. „Uebersinnliche Welt/' Februar-September 1899: „Ketzerthum
und Hexerei in ihrem culturhistorischen Zusammenhange/*
**) Im L Theile (VI. Akt, 7) übergiebt Molay vor den „Wissenden1'
ein Buch den Flammen, das den TitelVom ßaff'om dem Erleuchter"
führt und lässt die Anwesenden einen Mumienkopf küssen. Dieser
Kopf ist „Baffomet", das Idol des Templerischen Geheimkultus;
er wird bärtig mit leuchtenden Augen oder als Januskopf geschildert
und bestand in Wirklichkeit aus Metall. Baffomet soll richtiger
Baphemet heissen, da es von ßatpfj fifjtcg oder ßcup?] (MJTOV, das sich
mit „illuminatio menüs" deckt, herkommt und gleichbedeutend ist
mit consolamentum oder Feuertaufe. Baffomet war also das
(gnostische) Symbol um der Feuertaufe oder Illumination
(== inspiratio mentis) der wissenden (eingeweihten) Brüder.
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