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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen eto. 465
recht, wenn man Franz von Baaders Philosophie, diesen
spekulativen Mystizismus, dessen Vater Feuer und Blitz
sind, kennt «n/sich seinen Aufsatz vergegenwärtigt: „Dass
alle Mensehen in der geistigen guten oder schlimmen Bedeutung
des Wortes „Anthropophagen" sind. (Band IV von
Baader'* „Gesammelten Werken".) Eng sind Wollust und
Grausamkeit bei der busenlosen Amazone PenthesUea ver-
schwistert, die, eine graziöse Tigerin, des Achilleus „tippige
Glieder abmäht". Sein Prinz von Homburg ist ein „somnambuler
Hamlet in preussischerOffiziersuniform", wie R%v.Gottschall
sagt. Den grössten, aber einen verderblichen Einfluss auf
Kleist hatte der jesuitische Sophist Adam Müller, der Freund
von Fr. von Gentz, der schon 1805 heimlich zum Katholizismus
übergetreten war, sich durch Herausgabe von reaktionären
und proselytenmacherischen Schriften auszeichnete und die
Staatswirthsehaft auf theologischer Grundlage errichtet
sehen wollte. Mit diesem katholischen Mystiker gab Kleist
eine Zeit lang zusammen* den „Phöbus" heraus und wir
sehen einen krankhaft mystischen Zug in allen seinen
Werken, selbst in eii?er so realistischen Arbeit, wie sein
„Michael Kohlhaas" ist. In einem Briefe von 1806 schreibt
Kleist: „Komm, lass uns etwas Gutes thuen und dabei
sterben! Einen der Millionen Tode, die wir schon gestorben
sind und noch sterben werden. Es ist, als ob wir aus
einem Zimmer in das andere gehen." Und beinahe so thut
er auch, als er am 21. November 1811 mit Henriette Vogel
zusammen das Leben unter frivolen Scherzen fortwarf.
Bios Erwähnung thuen wollen wir hier der Ungeheuern
Arbeit, welche die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm auf
dem Gebiete der Sprachforschung geleistet haben. Jakob
der Aeltere (der aber den Jüngeren überlebte) war der
mächtigere und allseitigere, Wilhelm mehr im Detail aufgehend
, abgeschlossen, — fertiger in sich selbst. Sie sind
die Portsetzer von Herder's Lebenswerk. In Sitte, Recht,
Sprache und Religion unseres Vaterlandes suchten sie das
Allgemeine im Besonderen zu ergreifen und das Leben in
seiner vollen Erscheinung zu fassen. Jakob Grimm sprach
es aus: „Die älteste Geschichte jedes Volkes ist Volkssage,
jede Volkssage ist episch. Das Epos ist also alte Geschichte
. Alte Geschichte und alte Poesien sollen aber
nothwendig zusammen gehen." Für den Okkultisten ist
Jakob's: „Deutsche Mythologie" und sind die mit Wilhelm
zusammen herausgegebenen Bücher „Deutsche Sagen" und
„Irische Elfenmärchen" Bücher von höchstem Interesse.
(Fortsetzung folgt.)
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