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466 Psychische Stadien. XXIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1902.)
Lebensrettung auf Obersinnlichem Wege.*)
Von Ludwig Deinhard (München).
Von merkwürdigen, anscheinend unerklärlichen Errettungen
aus Lebensgefahr hört man wohl gelegentlich
öfter. Gewöhnlich zerbricht man sich aber nicht weiter
den Kopf darüber. Es fehlt ja jeder Schlüssel zur Erklärung
, so dass schliesslich nichts Anderes übrig bleibt,
als ungläubiges Kopfschütteln. Wenn ich an so Etwas
glauben soll, muss ich es selbst erlebt haben — sagt der
Skeptiker. Warum erlebt nun gerade er nichts derart?
Warum sind solch wunderbare Errettungen aus drohender
Gefahr anscheinend so selten, obwohl es doch tagtäglich
vorkommt, dass Menschen sorglos in Lebensgefahr geratben
und darin umkommen? Vielleicht gelingt es mir, auf
dieses dunkle Problem einiges Licht fallen zu lassen, wenn
sich der Leser entschliessen kann, mit mir etwas tiefer in
die okkulte Wissenschaft hinabzusteigen.
Passen wir zunächst einen solchen Eall wunderbarer
Lebensrettung, der sich erst vor kurzem zutrug, näher in's
Auge.
Herr B., ein deutscher Kaufmann, der eine der
grössten Exportfirmen Calcutta^ leitet, ein Mann von herkulischer
Körperkraft und erprobter Unerschrockenheit,
machte gegen Pfingsten des Jahres 1901 einen Jagdausflug
nach einem von Europäern noch nicht betretenen Gebiet
des nördlichen Birma (Burma). Er schildert seine dortigen
*) Aus dem sehr lesenswerthen neuesten Werkchen unseres
hochgeschätzten Mitarbeiters: „Zur okkulten Psychologie der
Gegenwart", (Berlin, C. A. Schwetschke & Sohn, 1902, 91 S. mit
einer Tafel über das imaginäre Bewusstseinsspektruni nach F. W.
E. Mi/ers.) — Verf. behandelt als gründlicher Kenner der modernen
Experimental-Psyehologie in den Aufsätzen über „ Camille hlammarion
als psychischer Forscher'', „Die englisch-amerikanische Oesellschaft
für psychische Forschung und die von ihr begründete Psychologie
der Zukunft", sowie „Die deutsche Tagespresse und der von ihr sogenannte
Obskurantismus' mit kritischer Sonde die Kernfrage, ob
neben der akademischen Normalpsychologie ?on einer Supernormaloder
okkulten Psychologie als „Grenzwissenschaft^ überhaupt die
Rede sein kann, eine Bezeichnung, deren Priorität der streitbare
Dr. med. Ferd. Maack in Hamburg mit Unrecht für sich reklamirt,
insofern der bekannte englische Publizist William Steaä (Herausgeber
der „Review of Reviews") bereits vor* 1H93 bis 1897 in London
unter dem Titel „Borderland" (Grenzland) eine reichlich illustrirte,
trefflich redigirte Zeitschrift erscheinen Hess, worin aus allen
Theilen der civilisirten Welt gesammelte Fälle supernormaler Erscheinungen
unter jenem äusserst glücklich gewählten, von
Dr. Maack neuerdings durch „Xenologie*4 ersetzten Terminus tech-
nicus zusammengefasst wurden. — Red.
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