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478 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1902.)
strömendem Gefühle in die Arme geschlossen wird, erscheint
ihm morgen durch ein anderes Medium und andern die
Materialisationsgebilde beeinflussenden Theilnehmern an
der Söance in veränderter Gestalt und Aussdrucksweise.
Vorausgesetzt dass sie es war, das heisstt dass nicht ein
Kontrolgeist des Mediums sich für dieselbe ausgab, was
als häufiges Vorkommnias in allen Phasen spiritistischer
Kundgebungen leider mit in den Kauf genommen werden
muss! Mehr wie die Betrügereien von Pseudo-Medien tritt
die Erkenntniss der Unzuverlässigkeit der wirklichen Kund-
gebungen der Anerkennung und Ausbreitung des Spiritismus
hindernd entgegen. —
Was sich auf den Spiritismus im Allgemeinen bezieht,
das gilt auch von den diversen Phasen im ßesondern. Un-
verlässliche und irreführende Kundgebungen erlangt man
beim Herausbuchstabiren der sich vernehmbar machenden
Pochiaute ebensowohl wie auf Grund anscheinend von
selbst, wenigstens ohne menschliches Dazuthun, zu Stande
gekommener schriftlicher Mittheilungen zwischen betrugssicher
verschlossenen Schief ei tafeln und auf Papierblättern,
die sich in versiegelten Briefumschlägen befinden.
Ausser von historisch bekannten Personen erhält man
wohl mitunter zahlreiche, aber selten die wohlbekannten
Porträts dahingeschiedener Angehörigen, sei es auf photographischen
Platten, auf Papier oder Leinwand, solange
wir nicht im Besitze eines zu Lebzeiten der betreffenden
Person gemachten Bildes sind. Trotz der Verschiedenartigkeit
der Geisterstimmen, die als objektive Schallreflexe
an unser Ohr schlagen, hören wir wohl in jeder Seance
die altbekannten, aber um so seltener die uns vertrauten
Laute unserer Angehörigen, obgleich die sich vernehmbar
machenden Unsichtbaren diese oder jene zu sein vorgeben,
ohne sich hinreichend als solche zu identifizieren in der
Lage zu sein. Zutreffender sind in dieser Hinsicht die
Mittheiiungen Abgeschiedener vermöge des Organismus der
Trancemedien, oder der als clairvoyant und ciairaudient begabten
Personen.
Unbefriedigender mit Bezug auf Identität stehen wir
den in ganzer matenalisirter Körperform und Gestalt sich
kundgebenden Gästen aus dem Jenseits gegenüber, die anscheinend
ebenso so schnell in nichts verschwinden, wie sie
anscheinend aus demselben entstanden sind. Fehlt es auch
nicht an mehr oder weniger plausibeln Erklärungen für und
zu Gunsten der Abweichungen und Unzulänglichkeiten, so
ist das Fazit für diejenigen, die ausschliesslich den Verkehr
mit den im Tode Vorausgegangenen suchen, eine Ent-
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