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492 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 8. Heft. (August 1902.)
nicht; was bleibt da anderes übrig, als entweder ihren Inhalt
auf Treu und Glauben hinzunehmen, oder aber sie zu
ignoriren? Das Letztere ist der bequemere und deshalb
auch der von den Meisten eingeschlagene Weg. Ob er der
richtigere ist, dies bleibe hier dahingestellt. Den Verfassern
jener Schriften aber ist es durchaus gleichgültig,
wie die Welt über sie und ihre Schriften urtheilt. Sie
haben damit ihre Pflicht, ihre sittliche Aufgabe der Welt
gegenüber erfüllt, und überlassen es nun dieser, ihren
Standpunkt zu jenen Schriften zu wählen. Der Rest ist
Schweigen. Sapienti sat! —
üeber das treffliche, vom Geist edelster Menschenliebe
erfüllte und in vieler Hinsicht ausserordentlich lehrreiche
Buch Prof. Spittah Hesse sich nun freilich noch Manches
sagen. Selbstverständlich kann es Jedem, der dem Problem
der Palingenie gegenüber irgendwie einmal definitiv Stellung
nehmen möchte, nicht warm genug empfohlen werden. Viele
Leser dieser Zeitschrift können sich ja mit der theosophiscben
Behandlungsweise dieses Problems nicht recht befreunden,
wie ihnen denn überhaupt die theosophische Litteratur
ferner steht. Vielleicht sagt ihnen eine Behandlung desselben
mehr zu, welche, wie die Prof. Spittcüs, alle okkulten
Elemente geflissentlich ausschaltet.
Aeusserst lesenswerth sind namentlich die Abschnitte
in Prof. Spitttfs Buch, in denen der Verfasser Front macht
gegenüber dem Pantheismus, Buddhismus, Pessimismus und
dem orthodox kirchlichen Christenthuni. Ob er mit seinen
Ausführungen über den Buddhismus, den er als eine
müssige, träumerische Beschaulichkeit auffasst, und dem er
jeden Gedanken an ein sittliches Portschreiten abspricht,
den Nagel auf den Kopf trifft, möchte ich allerdings stark
bezweifeln, und zwar stütze ich mich dabei auf den in der
ganzen buddhistischen Welt verbreiteten und von dem
buddhistischen Oberpriester Sumangala durchgesehenen
„Buddhist Catechism, according to the sinhalese eanon" von
Henry S. Olcott*). Ich weiss recht wohl, dass Prof. Spitta
sich hierin der bei unseren Indologen ganz allgemein
üblichen Auffassung des Buddhismus anschliesst, erinnere
aber daran, dass gerade gegen diese von buddhistischer
Seite selbst starke Einwände erhoben werden. Auch hier
dreht sich Alles wiederum darum, ob man sich das Problem
der Palingenie im Sinne ganz bestimmter metaphysischer
Begriffe und Vorstellungen zurechtlegt, wie dies der auf
*) Die zweite deutsche Auflage ist gegenwärtig in Vorbereitung:
Leipzig, 77/. tlriebetfs Verlag.
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