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512 Psychische Studien, XXIX Jahrg. 8. Heft. (August 1902.)
Vereins zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter
(Geschäftsstelle: Dresden, Kranachstrasse 18) —, fügt dieser
Zeitungsnotiz die ironisch ausklingende Betrachtung bei:
„Instinkt!" so rufen die Gedankenlosen und Hochmüthigen;
als ob mit solchem Worte irgend etwas Vernünftiges ausgedrückt
und der Unterschied zwischen Thier und Mensch
so tief gerissen wäre, dass wir uns der sittlichen Pflicht
gegen Thiere, die solcher Handlungen fähig sind, ledig
dünken dürften! Wer weiss? Die Jahre vergehen, das
Thier wird alt und missachtet, oder es wird von einem jener
„ehrlichen, anständigen Hundehändler" weggefangen und
einem nicht minder ehrlichen und anständigen Vivisektor
ausgeliefert. Besonders geeignet würde gerade dieses Thier
für einen „moralischen Versuch" sein; für einen solchen,
durch den man das Seelenleben der Thiere zu ergründen
sucht. Man schneide oder spüle nach Goltz* Vorgange das
Gehirn schichtweise aus, um das „Zentrum" des Mitleidens
zu finden. Und man werfe das so verstümmelte und geschändete
Thier von neuem in die Donau, um zu sehen, wie
es sich nun benehmen werde. Auch ein „wissenschaftliches
Problem!"
A) Tonkinesische Wahrsager. Die ,,Revue indo-
ehinoise** bringt interessante Mittheilungen über die tonkine-
sischen Wahrsager, worüber die ,.Post" (Berlin, 30. April er.)
nach einer Korrespondenz aus Saigun vom 2. April wie folgt
berichtet: Der Wahrsager heisst in Tonkin „B6c-ph§-Ong"
oder auch „Thay-boi." Es ist ein im Allgemeinen wenig
gewinnbringendes Geschäft, das gewöhnlich in den Händen
der Blinden liegt. Einige Wahrsager erfreuen sich jedoch
einer gewissen Berühmtheit und haben sogar ein Sprechzimmer
. Vor der Thür hängt ein Brettchen und auf dem
Brettchen liest man das Wort „Boc", was „Zauberei, Wahrsagung
" bedeutet. Die anderen Wahrsager üben ihr Geschäft
im Umherziehen aus und suchen sich die Kundschaft auf
den öffentlichen Plätzen, auf den Märkten und an den
Strassenecken. Der „Thay-boi" führt überall eine Kiste mit
sich, die einige Habseligkeiten und seine Wahrsagungsinstrumente
enthält; die letzteren bestehen nur in einer
Räucherpfanne von Kupfer oder von Porzellan und in einer
Handvoll Kupfersapeken (Münzen). Wer den Wahrsager
befragen will, muss eine bestimmte Quantität Betel mitbringen
, um sich den Geist geneigt zu machen; der „Thay-
boi" legt die Betelblätter in die Räucherpfanne, fügt einige
Kupfersapeken hinzu und legt zuletzt ein Stäbchen angezündeten
Weihrauchs hinein. Dann hebt er das Ganze
bis zu seinem Kopfe, athmet stark und spricht eine kurze
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