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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen ete.
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müssen und dadurch Einsicht in die mittelalterliche Magie
erhalten. Wirklich verlässt Zschokke auch sein ganzes
Leben nie ein unausrottbarer Glaube an Uebersinn«
liebes. Seinen Roman „Alamontade der Galeerensklave"
(1802) schafft er direkt nach der haftengebliebenen Erinnerung
an einen lebhaften Traum. Eingehend beschäftigte
sich Zschokke mit Rhabdomantie und experimentierte
(1817 und 1818) erfolgreich mit der Metall- und Quellfinderin
Katharina Beutler, die selbst „einzelne Sterne rhabdo-
mantisch gewahren konnte". „Sorgfältige Beobachtungen
zwangen mich den hartnäckigen Unglauben und Argwohn
fahren zu lassen und zeigten mir eine fremde Seite der
Natur, obschon in räthselhafter Dämmerung".*) Dasgrösste
Interesse bringt er stets dem Somnambulismus entgegen
und kennt das Hell- und Fernsehen der Somnambulen und
Sterbenden.
Bekannt dürfte den meisten Lesern sein, dass Zschokke
in vollkommen wachem Zustande Andere geistig durchschauen
konnte d. h. die Gabe der fernsehenden Rückschau
besass, durch welche es ihm möglich wurde das
vergangene Leben eines Menschen, den er zum ersten Male
sah, in einzelnen grossen Zügen zu überblicken und eine
Characterdiagnose zu geben. (I, 310—314.) Dem Lebenswerke
Mesmer's stand Zschokke allerdings nicht freundlich
gegenüber; wenigstens suchte er die Mission Professor
Dr.. Wolfart's bei Mesmer (1812) durch einen in seine
„Aarauer Miscellen" aufgenommenen Schandartikel zu untergraben
. Es ist aber doch wohl möglich, wie schon du Prel
im „Käthchen von Heilbronn als Somnambule" meint, dass
H. von Kleist, der im Winter 1801 Zschokke in Bern besuchte
, durch diesen den Mesmerismus genauer kennen
lernte. Zschokke selbst verwendet öfters in seinen Werken
den Somnambulismus als Motiv; z. B. kommt durch posthypnotische
Suggestion entstandene Liebe oder durch Autohyp-
nose hervorgerufene (eingebildete) Schwangerschaft vor.
Die ^persönliche Fortdauer des Geistes in seelischer Hülle"
nach dem Leibestode, ist ihm etwas Erwiesenes; ja er nimmt
sogar eine Portdauer des „pflanzlichen Lebens" im Grabe
an, eine „Portdauer des Belebenden im entseelten Körper",
also eine Art Vampyrismus. Die Auflösung des Geistes
ins Allgemeine steht für Zschokke ,,im schneidenden Zwie-
spalte mit dem Entwicklungsgesetze der ganzen Natur".
Dieses aber: Die Entwicklung alles Wesenden zu immer
höheren Stufen, ist ihm „das allgemeinste Gesetz im end-
*) Heinrich Zschokke: „Eine Selbstschau" (Aarau 1859) 2 Bände.
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