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Wernekke: Sitzungen mit Frau Thompson.
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Thompson keine supernormalen Kräfte entwickelte und beständig
im normalen Zustande war. Myers, der das Ehepaar
seit 1898 genau kennt, spricht sich durchaus vertrauensvoll
aus. Herr und Frau Thompson seien mit ihm der Ansicht,
dass den Personen mit supernormalen Fähigkeiten an
genauer Darstellung der Vorgänge gelegen sein müsse, und
dass solche Fähigkeiten, die sie ohne persönliches Verdienst
, nach einem noch unbekannten Naturgesetze besitzen,
im Interesse der Wissenschaft angewandt werden sollten.
Bezüglich des Trancezustandes ist nach Myers zu
unterscheiden:
1) Erheuchelter Trance, wie er bei gewerbsmässigen
Seherinnen gewöhnlich ist;
2) echter, jedoch krankhafter Trance — namentlich bei
Hysterischen, mit unzusammenhängenden Reden verbunden,
die vermuthlich von dem TJnterbewusstsein eingegeben werden
(bei eigentlichen Medien pflegen sie deutlicher zu werden,
indem der unvollkommene Trance in völligen Trance übergeht
, unter Hinzutreten einer „geistigen Kontrolle");
3) echter und gesunder Trance, mit Aeusserungen, die
keine dem Medium unbekannten Thatsachen enthalten;
4) echter uud gesunder Trance, mit Aeusserungen, die
sich auf Thatsachen ausserhalb des unmittelbaren Sinnenbereichs
beziehen, die den Oirkeltheilnehmern oder auch entfernten
Personen bekannt sind (Telepathie oder Telästhesie);
5) echter und gesunder Trance, mit Aeusserungen, deren
Inhalt lebenden Personen nicht bekannt ist, wovon aber die
Verstorbenen, von denen angeblich diese Mittheilungen
herrühren, Kenntniss haben könnten.
Im letzteren Falle spricht man von „Substitution der
Persönlichkeit41*) oder „Greisterkontrolle" (Pneumaturgie).
Diese Erscheinung möchte Myers als einen normalen Fortschritt
in der Entwickelung der Menschheit ansprechen. Er
nimmt an, es müsse wohl für den Menschengeist unter Umständen
„erspriesslich und erwünscht sein, sich theilweise
und zeitweise von seinem Organismus abzulösen, dadurch
grössere Freiheit und Wahrnehmungsfähigkeit zu gewinnen
und einem abgeschiedenen Geiste zu gestatten, den theilweise
geräumten Organismus zum Zwecke des Verkehrs mit noch
*) Dafür schlechthin „ Besessenheit* (possession) zu sagen, könnte
insofern bedenklich scheinen, als dieser von Alters her gebräuchliche
Ausdruck vorzugsweise die Beeinflussung durch Dämonen bezeichnet.
Aber am Ende kann man mit Dr. van Eedett fragen, ob bei unserer
mangelhaften Kenntniss auf einen Ausdruck so viel ankommt: „was
isfc denn für ein Unterschied zwischen einer sekundären oder tertiären
Persönlichkeit und einem „possessing demon?M
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