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Khaue: Thiere als Unglücksboten
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Thiere als Unglücksboten.
Zu diesem in unserem Juni-Heft 8. 348—352 von Herrn
0. Wenzel angeregten Thema erhielten wir, dat. Berlin
(N. Usedomstr. 9, III), 17. August 02 nachfolgenden Beitrag,
den wir, obwohl, wie schon früher bemerkt, in allen derartigen
Fällen selbstredend ein blos zufälliges Zusammentreffen
keineswegs ausgeschlossen erscheint, gerne registriren,
weil ja Förster und Jäger schon durch ihren Beruf die
beste Gelegenheit finden, genauere Beobachtungen über das
noch so wenig erforschte Seelenleben der Thiere und dessen
Zusammenhang mit der menschlichen Willenswelt zu machen.
Die Zuschrift lautet: „In der Monatlichen Zeitschrift „Psych.
Stud." (Heft VI, XXIX. Jahrg.) habe ich einen Artikel
von Otto Wenzel-Ekkehard-Dresden über „Thiere als Boten
des menschlichen Willens" gelesen, der mir einen analogen,
in meiner Familie erlebten Fall in deutliche Erinnerung
brachte, obschon es — mit 71 Jahren — meinem Gedächtniss
schwer wird, alle Einzelheiten so ferne liegender Ereignisse
in richtiger Reihenfolge wiederzugeben. — Der Bruder meiner
Schwiegermutter war Schiffskapitän und wohnte in einem
Dorfe an der Ostsee. Sein jüngster Sohn wollte in dem
Orte, wo sich eine Navigationsschule für Steuerleute befindet,
sein Steuermannsexamen machen. Es war Ausgang der
60 Jahre, und er hatte schon einige Monate diese Schule
besucht. Der Vater des jungen Mannes kam eines Tages
von einem Spaziergange nach Hause und sagte zu seiner
Frau: „Ich weiss nicht, was das zu bedeuten hat, dass ein
Schwärm Krähen mit lautem Gekrächze unser
Haus umschwärmt und immer gerade nur unser Haus,
während doch um diese Jahreszeit die Krähen sich sonst
auf dem Felde oder im Walde aufhalten!" Mittags um
12 Uhr kam der Sohn W.... aus der Schule und theilte den
Eltern mit, dass heute Nachmittag eine Probefahrt mit dem
Rettungsboot von den Steuermannsschülern unternommen
werden solle. Um 2 Uhr begab sich der junge Mann in
Begleitung seines Vaters an den Strand. Schon waren alle
sich an dieser Fahrt betheiligenden Steuermannsschüler an
Ort und Stelle und hatten das Boot an die See gebracht.
Der junge W. wollte sich nun auch eilig hinbegeben und
helfen, als sein Vater ihm zurief: nW., hol* Dir doch erst
noch einen Rettungsgürtel." W. eilte auch zurück, kam aber
mit der Bemerkung aus dem Schuppen heraus: „Es ist kein
Gürtel mehr da." Der junge Mann eilte nun zum Boot, kam
gerade zur rechten Zeit an, um noch mitzukommen, und
ergriff einen Riemen (Ruderstange). Ich bemerke hierzu, dass
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