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Hoffmann: Ist der Traum eine besondere Bewusstseinsform? 631
welches dieses letztere von aussen auferlegt, erstickt die
Freiheit der Seele, oder wird so gezwängt, dass von kräftiger
Entfaltung nicht die Rede sein kann. Durch derartige
Verhältnisse ist die Persönlichkeit bei ihrer Ausgestaltung
vor grosse und häufig genug gar nicht zu überwindende
Schwierigkeiten gestellt. Aller Fortgang in Veredelung
erweist darum sich als langsam und die höchsten Güter
werden so selten geahnt. Soll es besser werden mit der
Menschheit auf Erden, muss altruistische Gegenseitigkeit
sozial - wirtschaftliches System und sodann harmonische,
intellectuelle und religiöse, soziale und hygieinische Erziehung
Aller gemeinsames Eigenthum werden.
Ist der Traum eine besondere Bewusstseinsform?
Von M. lloff maiiii.
„Der Tod ist der Vorgang des Debergehens von einer
Bewusstseinsform in die andere. Darum ist jeder Tod
verbunden mit einer Geburt. In diesem Sinne sterben wir
jeden Abend für die Sinneswelt und werden für eine andere
Bewusstseinswelt geboren, für welche wir am Morgen
wiederum sterben, um für die Sinneswelt wieder geboren zu
werden". Das sagt der Theosoph E. Böhme in seiner Schrift
„Giebt es ein Wiedersehen nach dem Tode?" Er spricht
seine Meinung aus in einer Weise, als sei ein Zweifeln
daran absolut unmöglich, geschweige denn zu widerlegen.
(Ueberhaupt strotzt gerade dieses Schriftchen des bekannten
Theosophen von Irrthümern und Widersprüchen.) Es soll
nun meine Aufgabe sein, Thatsachen anzuführen, welche
die Annahme unhaltbar machen, dass die Seele während
des Schlafes in eine andere Bewusstseinsform übergehe,
dass also das Traumleben ein Leben der Seele in einer
andern Bewusstseinswelt sei.
Was versteht E. Böhme unter dem andern Bewusstseins-
reich, der andern Bewusstseinsform? Er sagt mit Kant:
„Die andere Welt ist nicht ein anderer Ort, sondern eine
andere Anschauung." Selbst fügt er hinzu: „Die andere
Welt ist ein anderes Bewusstseinsreich und hat als solches
seine eigenen Raum- und Zeltvorstellungen." Wenden wir
diese letztangeführten Erläuterungen auf seine vorhergehende
Behauptung an, so würde diese genau etwa fol-
gendermassen lauten: „Wir sterben jeden Abend den Tod
für die Sinneswelt und gehen in eine andere Bewusstseinsform
über, denn die Raum- und Zeit Vorstellungen im
Traume sind verschieden von denen der Sinneswelt.a
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