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Kurze Notizen.
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und in kontokorrentmässige Verrechnung zu bringen. Mitunter
geschieht es, dass sich bei der Gegenstellung eine Differenz
zeigt, und liegt sodann der Hauptwerth seiner Arbeit darin,
rasch die betreffende Kreisverrechnung zu finden, in welcher
sich der Fehler befindet. Wenn er während seiner Amtsstunden
nicht in erwünschter Weise die Irrung finden konnte,
so legt er sich mit dem festen Vorsatz nieder, während der
Nacht, resp. des Schlafens die einzelnen Kreis Verrechnungen
zu durchprüfen, um die betreffende fehlerhafte aufzufinden,
und schläft mit diesem Gedanken zu Hause ein. Am folgenden
Tage lässt er sich im Bureau das im Traume gesehene
Journal (Kreisverrechnung) vorlegen, sieht es durch und
findet allsogleich den unrichtigen Posten, wodurch ihm die
fernere Abschlussarbeit sehr erleichtert ist:6 - Derartige
Fälle von Kryptomnesie haben bekanntlich für den
okkultistischen Forscher erhöhtes Interesse gewonnen, seitdem
der Psychologieprofessor Th. Flournoy an der „Faculte des
Sciences de PUniversitfi de Genöve4, in seinem (schon früher
in den „Psych. Stud." wiederholt besprochenen) Werk: „Des
Indes k la plannte ALars" gewisse von den Spiritisten für die
Geistertheorie reklamirte, scheinbar jenseitige Enthüllungen
seines Mediums Mlle. Kilene Smith auf latente, bezw.
unbewusst zurückgebliebene Erinnerungen ähnlicher Art
zurückgeführt hat.*) — Dr. F. Maier.
b) Bestrafter Muthwille. Aus dem Gerichtssaal wird
von Dresden, 31. August er. berichtet: Am 1. April veröffentlichte
der Redakteur Weitmüller von den „Chemnitzer Neuesten
Nachrichten14 in seinem Blatte, das Medium Rothe sei aus
der Untersuchungshaft entlassen und es werde mit dem
Impresario Jentsch in einem näher bezeichneten Lokal eine
*) Man vergleiche hierzu die äusserst instruktiven Beispiele in
der soeben bei Oswald Mutze erschienenen, sehr beachtenswerten
(auch das Problem des Tischrückens und der automatischen Schrift
exaktwissenschaftlich beleuchtenden) psychiatrischen Studie von
Dr. med. C. <1. Jmxq (1. Assistenzarzt der psychiatrischen Universitätsklinik
in Zürich): „Zur Psychologie und Pathologie
sogenannter oeculter Phänomene8 S. 110 ff. Darnach
darf der von den Franzosen mit „Cryptomne\sietf bezeichnete
Vorgang des Bewusstwerdens eines Öedächtnissbildes, das nicht
primär, sondern ev. erst sekundär auf dem Wege der nachträglichen
Wiedererkennung oder des abstrakten Eäsonnements als solches
erkannt wird, nicht mit Hyperinnesie verwechselt werden, womit
man die abnorme (resp. supernormale) Schärfung des Vermögens der
die Gedächtnissbilder als solche reproduzirenden Wiedererinnerung
bezeichnet. Besonders häufig und interessant sind die Fälle, wo
Schriftsteller, Forscher und Kunstler in Folge eines Einfalls, dessen
Kausalkette ihnen selbst verborgen bleibt, an die Originalität einer
Idee glauben, deren ihnen unbewusst gewordene Quelle der Kritiker
später nachzuweisen vermag. — Red.
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