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Psychische Studien.
Monatliehe Zeitschrift,
vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene
des Seelenlebens gewidmet
29. Jahrg. Monat November. 1902.
L Abtheilung#
Historisches und Experimentelles.
Geistige und soziale Strömungen bei der Wiedergeburt
des modernen Okkultismus,
Eine kulturhistorische Studie.
Von O. Ei. Mankmar.
(Fortsetzung von Seite 596.)
In dem unheimlich sinnbestrickenden Zauber, der diesen
Dichtungen entströmt, kann sich nur noch ein Dichter
englischer Zunge mit Coleridge messen, der Amerikaner
Edgar Allan Poe (1809—1849.) Er ist Coleridge geistig verwandt
, und tbeiit dessen Vorliebe für das Mystische, das
bei Poe aber noch grausiger auftritt, und noch seltsamere,
aber realistischere Formen annimmt, auch oft sich mit
Chiffreproblemen und kriminalistischen Räthseln beschäftigt.
Poe ist, neben Bryant, Longfellow und Brei Harte, der grösste
und vor Allem originellste amerikanische Dichter. Er ist
— wie Karl Bleibtreu so treffend sagt: — „Der Erfinder der
Poesie des Schreckens.... Er lebt nicht, er träumt, er
murmelt Unfassliches und stammelt von Unaussprechlichem."
Seine bekanntesten Gedichte sind: „Der Rabe" und „Ula-
lume". In ersterem tritt uns in dem stets: „never more"
krächzenden Raben das Symbol dämonischer Naturkräfte
vor Augen; in diesem, einer Mondscheinromanze, das Magisch-
Anziehende, Verwirrende der Gestirne. In beiden Gedichten
zeigt sich Poe als ein Sprachkünstler allerersten Ranges. Er
hat auch in Prosa Sensationsnovellen geschrieben, in denen
„eine krankhaft verwilderte Phantasie, die nur am Absonderlichen
sich berauscht, mit dem scharfen Thatsachensinn
des Yankees zu einem poetischen „Sherry-Cobler" von
Psychische Studien. Norember 1902. 42
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