http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0688
Wernekke: Der flermetismus.
077
desselben von der Geistlichkeit allenthalben verfolgt, blieben
doch ihre Anhänger in verschiedenerlei geheimen Gesellschaften
vereinigt. Die Schriften grosser Denker der christlichen
Aera, von Origenes und Porphyrius an über Bruno und
Spinoza} Paracelsus und Böhme, Fludd und Swedenborg, bis
auf F. v. Baader und Höne-Wronski, haben ihre Lehren
erneuert und vertieft. — Wie weit diese Behauptung zutreffend
ist, wie weit sich in der ziemlich bunten Reihe
von Philosophen und Theosophen, aus der wir hier nur
einige wenige Glieder herausgehoben haben, ein wirklicher
Zusammenhang nachweisen lässt, und wie weit gar die
Vorgeschichte des Hermetismus haltbar ist, zu der die
versunkenen Culturen von Lemurien und der Atlantis
herangezogen werden, lässt sich auf die blossen Angaben
des Verfassers hin nicht entscheiden. Das historische und
philologische Element ist seine schwächste Seite. Darauf
will ich nicht weiter eingehen , sondern mich hier auf den
Versuch beschränken, über den theoretischen Inhalt
des Buches möglichst unbefangen zu berichten.
Es zerfällt in folgende Kapitel: 1. Psychologie; 2. Logik;
3. Metaphysik; 4. Theodicee; 5. Moral; 6. Ueberlieferung;
7. Sociologie und Occultismus. — Diese Abschnitte greifen
vielfach in einander über, und die Präcision der Darstellung
lässt, wie gesagt, manches zu wünschen übrig. So gehen
schon in der vorausgeschickten allgemeinen Charakteristik
der hermetischen Philosophie theoretische und methodologische
Gesichtspunkte durcheinander:
Der Occultismus nimmt zwischen dem Ich und Nicht-
Ich, wie zwischen Geist und Körper, ein oder mehrere
Vermittelungsprincipien an. Im allgemeinen beherrscht die
Dreizahl alle Untereintheilungen. Wie das Dasein von drei
Personen in Gott (oder drei göttlichen Modalitäten) gelehrt
wird, so auch von drei Principien im Menschen, von drei
Ebenen (Stufen) in der Natur — aber wieder zusammen-
gefasst in eine sie alle umschliessende Einheit; daher
diese Lehre als Drei-Einheit, Tri-Unit6, bezeichnet
werden kann.
Er wendet bei seinen Darlegungen eine für sich schon
bezeichnende Methode an, die der Analogie. Sie bestimmt
die annlogischen Entsprechungen, die in dieser
Philosophie eine Rolle spielen.
Er legt bei allen seinen Studien besonderen Werth auf
die unsichtbare Ebene — oder unsichtbare Welt —
und ihre Beziehungen zu der physischen oder sichtbaren
Ebene. Daraus ergiebt sich unbedingte Duldung für alle
religiösen Formen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0688