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700 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 11. Heft. (November 1902.)
Wissenschaft um die Anerkennung einer Beseeltheit der
Welt herum. Die Resultate ihrer Forschungen treiben sie
jedoch immer näher an das verpönte Gebiet heran, sie
suchen aber durch allerlei Seitensprünge noch auszuweichen.
H. Driesch hat im „Biologischen Zentralblatt" glücklich
herausgefunden, dass die Lebensvorgänge nicht mechanisch
und maschinell verstanden werden können, sondern dass sie
vitalistisch, d. h. mit einer Selbstregulirung begabt sich
vollziehen. „Nicht einmal alles Anorganische ist
physiko-chemisch begreifbar. Sobald Richtung, sobald
spezifische Form auftritt, wird schon im Anorganischen
ein neues Elementares gefordert werden müssen,
das die nur das Allgemeine behandelnde Physik und Chemie
nicht lehrt. So ist es beim Krystall, so beim Dentrit.
Beim Organismus tritt noch etwas hinzu, der Begriff der
Bntelechie, der intensiven Mannigfaltigkeit besonderer,
die Kombination des Ungleichen in sich befassender Art."
Es ist merkwürdig, wie die Wissenschaft ihre Methode ändert.
Sonst trat sie experimentirend an die Natur heran, um
bescheidentlich mit Hilfsapparaten das durch unsere Sinne
vermittelte Begriffsfeld zu erweitern. Jetzt hat sich die
Wissenschaft aber mit ihrer materialistischen Spekulation
von dieser sichern Strasse abgewandt und sietit sich plötzlich
in einer Sackgasse verirrt; ihre wesenlosen Begriffe helfen
ihr nicht und nun fordert sie ein neues Elementares,
um sich wieder heraushauen zu können. Dass damit wieder
nur ein neuer abstrakter Schnörkel herauskommen wird, will
sie in ihrer Verblendung nicht sehen. Sie wird ihn wieder
anfangs wie einen neuen Gott anbeten, um ihn dann, wenn
er sich auch nicht als wirksam erwiesen hat, in die Rumpelkammer
der Geschichte zu werfen, wo er als denkwürdiges
Merkzeichen menschlicher Weisheit von den künftigen
Jüngern dieser selben Wissenschaft liebevoll konservirt wird.
— Wie leicht wäre es, an der Hand des Spiritualismus
über Jahrhunderte alte Erfahrungen hinweg direkt auf den
Kern loszumarschiren, aber sie ziehen es vor, den Spott
Mephisto's immer noch herauszufordern: „Ein Kerl, der
spekulirt, ist wie ein Thier, auf dürrer Heide von einem
bösen Geist im Kreis herum geführt, und rings umher liegt
schöne grüne Weide." — Ot*o Wenzel-Ekkehard, Florenz (Via
Leonardo da Vinci, 16 po 28).
d) Von der Schärfe der Sinne bei den Naturvölkern
sind oft sehr erstaunliche Beispiele erzählt worden,
doch handelte es sich dabei zumeist um Einzelbeobachtungen,
während es an wirklichen Untersuchungen über diesen Gegenstand
noch sehr mangelt. Solche vorgenommen zu haben,
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