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Kurze Notizen.
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ist das Verdienst des Professors Hadrian, des Ethnologen
der Cambridge - Universität, der sich 1898—99 auf einer
Forschungsreise in Australien befand und sich längere Zeit
auf den Inseln der Torresstrasse aufhielt. Er hatte sich dort
auf der Murray-Insel ein besonderes Laboratorium für seine
Versuche eingerichtet, deren Ergebnisse er in seinem unlängst
bei Methuen u. Co. in London erschienenen Buche „Head-
Huntes" mittheilt* Sie enttäuschen einigermassen diejenigen,
die mit Bezug auf die Sinnesschärfe die Naturvölker weit
über die Europäer zu stellen geneigt sind. Die Schärfe des
Gesichts war der des Durchschnittseuropäers wohl überlegen,
doch nicht viel, und Haädon kommt deshalb zu dem annehmbaren
Schluss, dass die von vielen Keisenden berichteten
Beispiele von der Schärfe dieses Sinnes nur beweisen, dass
die Naturvölker eine stark entwickelte Beobachtungsfähigkeit
zeigen, die sie aus langer Vertrautheit mit ihrer engeren
Umgebung gewonnen haben. Was das Vermögen, Farben
zu unterscheiden, anlangt, so ergab sich zunächst, dass von
150 untersuchten Eingeborenen keiner farbenblind war. Im
Allgemeinen gab es bestimmte Bezeichnungen für roth,
weniger bestimmte für gelb, schon sehr unsichere für grün,
während genaue Bezeichnungen für blau fehlten. Einige
Nord-Queensländer kannten anscheinend nur Worte für roth,
sowie weiss und schwarz (vielleicht richtiger: hell und dunkel).
Die Papuas an der Mündung des Fly (Britisch-Neuguinea)
hatten anscheinend kein scharfes und feststehendes Wort
für grün, während ihnen blau und schwarz gleichbedeutend
waren. Die Insulaner der Torresstrasse selbst kannten Bezeichnungen
für grün; auf der Murray-Insel waren die Ausdrücke
für blau und schwarz gleich, aufMabuig gab es ein
Wort für blau (so viel wie meerfarben), das aber auch für
grün gebraucht wird. Der Gehörssinn war nur bei einigen
Murray-Insulanern schärfer als bei seharfhörigen Europäern,
die meisten jedoch konnten nicht so gut hören als diese; allerdings
waren alle untersuchten Leute Taucher, und diese
Beschäftigung schwächt das Gehör. Der Geruchsinn wurde
durch Experimente mit Lösungen, wie Baldrian und Kampher,
geprüft; die Empfindlichkeit dagegen war verschieden, aber
nicht anders wie bei den Weissen der Expedition. Ueber
den Geschmackssinn konnte wenig ermittelt werden, da die
Leute keine scharfen Sachen in den Mund nehmen wollten.
Zucker und Salz wurden schnell erkannt, der Geschmack
von Säuren wurde mit dem unreifer Früchte verglichen, und
in der Unterscheidung von bitter war das Ergebniss unsicher.
Auf der Murray-Insel gab es kein bestimmtes Wort für
bitter. — Was endlich den Gefühlssinn betrifft, so nimmt man
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