Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
29. Jahrgang.1902
Seite: 720
(PDF, 221 MB)
Bibliographische Information
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720 Psychische Stadien. XXIX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1902.)

„Verflucht, wer Leben schuf, das nur zum Tode führt!

Und warum ist er selbst elend? um seiner Eltern
Sünde willen?

Warum denn leb' ich? Warum bist auch Du?
Warum ist alles elend? Und selbst Er,
Der uns gemacht hat, muss es sein, weil Er
Solch Elend schuf! Zerstnrung schaffen kann
Ein Ausdruck nie des wahren Glückes sein!
Und doch sei Er alimächtig, sagt der Vater.
Warum das Böse denn, wenn selbst Er gut"
Ich stellte meinem Vater diese Frage;
Er sprach: „weil dieses Böse nur der Weg
Zum Guten sei/ Ein seltsam Gutes, das
Entspringen nur aus seinem Todfeind kann."

Im Aufruhr seines Erkenntnissdranges und doch unbefriedigt
kehrt Kain zur Erde zurück und nun entrollt s.ch,
im Sinne der biblischen Tradition, in grandioser Weise der
Todschlag an Abel. Doch zuvor betet Kain stehend nochmals
zu Jehovah und fasst den metaphysischen Grundgedanken
des Mysteriums: ob das Böse an sich böse sei, oder erst
durch seine Wirkung auf Dritte dazu werde, in prägnante
Worte. Dann geht er in die Schlinge, die der „allwissende
und allgütige" Jehovah ihm gelegt, begeht den im Voraus
bereuten Mord, und bringt so als Erster den Tod in die
Welt, ohne zu wissen, was der Tod sei. Der fleischgewordene
Geist des Todes steht in erhabener Unschuld vor uns. Der
zu ßoden geschmetterte Abel, der dem Brudermörder sterbend
vergiebt, ist so schuldlos als Kain, der vor uns steht und
mit blutiger Hand sein brennend Auge schattet*) Das
Böse ist nicht an sich böse, der Wille erst macht's dazu,
oder mit dem Bewusstwerden des Willens beginnt erst die
Verantwortlichkeit desselben: das ist die Lehre, die Kain
uns predigt und in Kain's Leiden erkenne die Menschheit
ihr eigenes Leiden. Jeder Mensch trägt ein Kainszeichen
an sich, es ist das Zeichen seiner Erdenqual und seiner
himmlischen Unsterblichkeit, So hat Byron, der uns auf
freiheitlichem Gebiete so kühn voranschreitet, sich auch als
einer der grössten Gedanken dichter erwiesen, und ob
dieses metaphysischen Urräthsels eine helle Fackel entzündet;
und wo auch immer Menschenherzen sorgen, grübeln, leiden,
wo auch immer die Menschheit ringt nach Gerechtigkeit,
Freiheit, Licht, da möge sein Name uns voranflattern im

*) Am 20. Juni 1827 sagte Goethe zu Eckermann über die
Motivirung dieser Szene: „Es ist von so einziger Schönheit, dass es
in der Welt nicht zum zweiten Mal vorhanden ist/ (Ausgabe
Moldenhauer I, 255.)


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