http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1902/0750
Maier: Ein neues Werk von Prof. Th. Flournoy
de Mor$ier,r der damals der berüchtigte Herzog Philippe
d'Orlfans (Egalitö) gewesen sein soll, führt sie an das fingirte
Bett ihrer Kinder, und spielt dort eine sie selbst zu Thränen
rührende Szene der Mutterliebe vor, indem sie die Kleinen
küsst, zur Jungfrau Maria betet und ein romanzenartiges
Wiegenlied singt. Ein ander Mal führt sie Herrn Morsier
ans Piano, um sie zur „romance d'Elisabeth" zu begleiten,
wobei sie später von ihr niedergeschriebene Verse singt,
deren alterthümliche Orthographie (z. B. „avoit" statt
„avait", „enfans" statt „enfants") wie bei den schriftlichen
Aeusserungen Cagliostro's im allgemeinen die des 18. Jahrhunderts
ist, während die charakteristische Handschrift
„Marie Antoinette's" von der durch Flournoy zum Vergleich
reproduzirten der wirklichen Königin in wesentlichen Punkten
abweicht und auch ihre Aussprache des Französischen einen
nicht germanisirenden, sondern anglisirenden Accent aufweist
. Eine andere kleine „Entgleisung" in ihrer Rolle
passirte Mlle. Helene am ersten Weihnachtsfeiertag 1896,
wo sie im Trance nach „Leopold's" Erklärung das letzte
Weihnachtsfest der Königin (1792) vorführte und letztere
dabei mit der Prinzessin Lamballe sprechen Hess, die als
Opfer der Septembermorde schon fast vier Monate vorher
gestorben war. Noch bedenklicher ist das Verhalten der
„Königin" gegenüber ganz modernen Ausdrücken wie „Photo-
graphie", „Tramway" und dergl., die das Medium zunächst
ohne einen Ausdruck der Verwunderung vorübergehen lässt
und deren Sinn es wohl zu verstehen scheint; auch das
völlige Pehlen aller Szenen aus dem Leben der Prinzessin
in Oesterreich spricht entschieden gegen die der Eitelkeit
des Mediums schmeichelnde Annahme einer wirklichen
Wiederverkörperung der unglücklichen Königin und für die
j.subliminale" Hypothese, welche in den Trancemittheilungen
Helenens nichts „Uebernatürliches" zu entdecken vermag und
als Quell derselben neben einer überaus lebhaften Phantasie
ausschliesslich ihr eigenes latentes „Unterbewusstsein" in
Anspruch nimmt. Nicht zugeben können wir dagegen den
von Dr. Hennig gemachten Einwurf, dass — die Möglichkeit
einer Reinkarnation überhaupt zugestanden — nach den
Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung das spätere Wiederzusammentreffen
dreier Personen, die sich wie die Königin,
Herzog Louis Philippe d? Orleans und Mirabeau in ihrer früheren
Existenz nahe standen, in einem so kleinen, eng begrenzten
Kreise eines späteren Daseins geradezu zu den Unmöglichkeiten
gehören dürfte, — insofern doch dabei die durch
Hass oder Liebe bedingten näheren Beziehungen als fortwirkend
auch in Rechnung zu ziehen sind. —
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