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Maler: läin neues Werk von Prof. Th. Flonrnoy. 741
Helene im Trance offenbar aus ihrem latenten Gedäehtniss
genau kopirte Handschrift; wo sie sein Reisewerk zu Gesicht
bekommen und ob er gerade jenen Spruch in ein Exemplar
hineingeschrieben hatte, Hess sich — nach 6 bis 8 Jahren
— nicht mehr feststellen.
Später sprach Simandini immer ein indisches Idiom, das
„Leopold * für Sanskrit ausgab, und als Flournoy einen bewährten
Sanskritforscher, Mr. de Saussure, zu den Sitzungen
beizog, erfuhr er, dass Selenens Hindusprache neben Worten,
die sicherlich nicht dem Sanskrit entstammten, und neben
sanskritähnlichen Worten wirklich eine grosse Zahl
echter Sanskritwörter enthielt, eine merkwürdige und für
Helenens Glossolalie charakteristische Zusammensetzung, die
Herr von Saussure durch den in Sinn und Nichtsinn jenem
„Sanskrit" entsprechenden lateinischen Satz veranschaulichte:
„Meate domina mea sorore forinda inde deo inde sini godio
deo primo nomine" u. s. w.
Der Vermuthung Flourno/s* dass Helene irgendwann
und irgendwo Sanskritwörter — etwa in einer Sanskritgrammatik
— gesehen haben müsse, stellte sich diese, zu
Gunsten einer metaphysischen, bezw. spiritistischen Deutung
dei von ihr produzirten Phänomene, von vornherein feindselig
gegenüber, indem sie alles für Reminiscenzen aus
ihrem früheren Dasein erklärte, so dass ein strikter Beweis
für vorliegende Kryptomnesie nicht so bald geliefert
werden konnte.
Um herauszubringen, ob der Fabel des „cycle hindern"
überhaupt irgend ein historischer Kern zu Grunde liege,
schlug Flournoy mit unermüdlichem Eifer alle ihm erreichbaren
Werke über indische Geschichte nach und setzte sich
mit den namhaftesten Historikern und Orientalisten in Verbindung
, von denen er jedoch die übereinstimmende Antwort
erhielt, die genannten Namen seien ihnen unbekannt, zum
Theil auch verdächtig, also wohl unhistorisch, die Geschichte
des südlichen Indiens, wo Kanara liegt, im 15. Jahrhundert
übrigens in nahezu völliges Dunkel gehüllt. Da, nachdem
er die Hoffnung, die Entstehung der Fabel zu ergründen,
schon fast aufgegeben hatte, fand Flournoy in einer alten,
fast unbekannten und von den Fachmännern wenig geschätzten
, schon 1828 in Paris erschienenen „Geschichte
Indiens von Maries", ohne Quellenangabe, S. 268/69 mit
dem Zusatz, dass es im Land Kanara besonders schöne Frauen
gebe, den das Räthsel lösenden Satz: „Tschandraguiri, dont
le nom signifie montagne de la lune, est une vaste forteresse,
construite en 1401 par le rajah Sivrouka-Nayaea" u. s. w.
Mit feinem psychologischen Scharfblick in die Natur der
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