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Kurze Notizen. 767.
Nahrungsmitteln und Befriedigung des Hungers auftaucht
Neuerdings hat Weygandt Untersuchungen über die Beeinflussungen
geistiger Leistungen durch Hungern angestellt
Dabei hatte er mehrfach Gelegenheit, bei sich die Einwirkung
des Hungerns auf die Traumvorstellung zu beobachten
. Am ersten Hungerversuchstage legte er sich
Nachmittags auf ein Ruhebett, nachdem er seit dem Frühstück
nichts mehr zu sich genommen hatte. Er las in
Turgenjew bis zu einer Stelle, wo von einem Mädchen mit
„blonden Flechten" die Eede war. Während er nun die
langen, blonden Locken vor sich sieht, wird die Vorstellung
/um Schlummei bild. Aus den verschlungenen hellgelben
Locken weiden Maccaroni oder Nudeln von verschiedener
Dicke, ganz ähnlich verschlungen und von ganz ähnlicher
Hellorange-Farbe, wie sie bei der italienischen Zubereitung
mit Tomatensauce üblich ist; er träumt weiter, dass er mit
einem Löffel den ganzen PorzellanteUer voll Maccaroni hastig
leer esse. In der nächsten Hungernacht träumte Weygandt,
dass er mit Heisshunger zwei Stück Kuchen verzehrte. Bei
einem späteren Hungerversuch mit dreitägiger Nahiungs-
enthaltung träumte er des Nachts, er verzehre ein grosses
Butterbrot, das ihm ausgezeichnet schmeckte. Da fiel ihm
plötzlich ein, dass er ja auf diese Weise den Hungerversuch
störe, und empfand heftige Reue über seine Unachtsamkeit.
Dieselbe Nacht führte ihn noch zu einem Festmahl, wo er
grossen Appetit verspürte, und dann noch ein drittes Mal
zu einem einladenden Essen. Aus diesen Hungerträumeu
ersieht man, dass beim Aufhören des straffer associativen
Zusammenhanges des Wachbewusstseins die körperlichem
Reize wieder eine wirksame Rolle spielen, und dass in der
Hungerzeit durch die Hungerempfindungen die Vorstellung
einer Befriedigung jenes Bedürfnisses geweckt wird, ße-
merkenswerth ist, dass im Grossen und Ganzen die Traumvorstellung
ziemlich treffend dem Reiz entspricht, wahrend
wir im Bereich anderer Sinnesgebiete gewöhnlich beobachten
können, dass der Reiz eine höchst phantastische, oft auf
ganz anderem Sinnesgebiete liegende Vorstellung hervorruft.
h) Antiker Liebeszauber. Im Britischen Museum zu
London wird eine Papyrusrolle aufbewahrt, die einen lehrreichen
Einblick in das Geistesleben der griechisch-römisch-
ägyptischen Welt gewährt. Sie ist ein Sammelwerk der
magischen Kunst, das für alle möglichen Fälle und
Wünsche ein Mittel anzugeben weiss. Wer z. B. dem Koch
das Anzünden des Feuers unmöglich machen will, der soll
ihm nur die Pflanze Immergrün auf den Herd legen; soll
ein altes Weib nicht mehr so viel schwatzen und trinken,
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