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768 Psychische Studien. XXIX. Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1902.)
dann soll man ihm klein geschnittenes Fichtenholz in die
Suppe thun; ein wirksames Mittel gegen die springenden
Plagegeister, dieses klassische Insekt des Südens, sind
Oleanderblätter, in Meerwasser gekocht, u. s. w. Am
fesselndsten aber sind Rezepte, die dem unglücklich Liebenden
helfen sollen und von denen es eine grosse Auswahl
giebt. Eins von diesen Zaubermitteln befiehlt, auf eine
Meermuschel das Thier des Typhon zu malen und sie dann
in den Ofen eines Warmbades zu werfen mit den Worten:
„Bringe mir her die Soundso, Tochter der Soundso, am
heutigen Tage zu dieser Stunde, liebesentbrannt in Herz
und Seele. Gleich, gleich! Schnell, schnell!44 Ein anderes,
das als besonders wirksam angepriesen wird, lässt den
Liebenden auf eine zinnerne Rolle schreiben: „Schafft, dass
die Soundso mich liebt4* und ihn dann nach einem Opfer
die Rolle ins Meer werfen. Der Griffel aber, mit dem die
Inschrift einzugraben ist, soll ein kupferner Nagel von einem
gestrandeten Schiffe sein. Nach einem dritten wiederum soll
man auf ein Ziunblättchen die Worte schreiben: „Ich beschwöre
dich beim grossen Obatchios", und es dann über
eine Dornenhecke legen. Wer nun mit solchen und anderen
Mitteln sich nicht begnügen wollte, der konnte seiner Geliebten
noch schärfer zusetzen. So konnte er ihr eine
schlaflose Nacht bereiten, indem er auf eine Muschel vom
Meeresstrande schrieb: „Es soll schlaflos bleiben die Soundso,
die Tochter der Soundso, in dieser Nacht.44 Er konnte ihr
endlich noch im Traume erscheinen. Dann musste er
zu seiner Hauslampe mehrere Male die Worte sprechen:
„Es soll mich sehen die Soundso, geboren von der Soundso,
im Traume. Gleich, gleich! Schnell, schnell!" Mit den
Träumen aber hatte es eine besondere Bewandtniss. Eine
der Hauptquellen des Aberglaubens im Alterthume waren
die Traumerscheinungen. Schon in recht früher Zeit ward
das Traumdeuten zu einer förmlichen Kunst, und dass
gerade in Aegypten die Traumdeuter sehr verbreitet waren,
haben andere Funde gezeigt. Auf einem Blatte des Louvre-
Museums sind von einem recht ungebildeten Menschen eine
Reihe von Träumen aufgezeichnet worden, welche der
Traumdeuter auslegen sollte, und es hat sich sogar das
Aushängeschild gefunden, das ein vielverheissender Traum-
deuter aus l£reta vor seinem Hause angebracht hatte.
(„Leipz. N. Nachr.14 Nr. 274 vom 4. Oktober er.)
t) Das Fest der persischen Derwische. Aus
Konstantinopel wurde (Anfangs Juni er.) geschrieben: Vor
einigen Tagen feierte die persische Kolonie in „Nussuli
Khan" in Stambul den zehnten. „ Muharrem - Tag44 oder
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