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Briefkasten.
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kannten Wortklaubereien scheinen Sie freilich nicht begreifen
zu wollen, dass eine derartige Empfehlung auch indirekt in glaubhafter
Weise übermittelt werden kann. Dass ich aber selbst den
Standpunkt der Verfasserin bezw. der Uebersetzerin nicht theilte,
habe ich — für jeden, der sehen will, klar genug — in meinen
Fussnoten auf S. 177 un d 179 angedeutet. Mich für einen „Rothianer*
zu halten bezw. auszugeben, waren Sie bei aufmerksamem Verfolgen
der ganzen Debatte in keiner Weise berechtigt, und wenn
Sie jetzt „von zuverlässiger Seite gehört haben" wollen, ich hätte
„die Absicht gehabt, im Verein mit zwei anderen bekannten
Spiritisten und Rothianern (deren Namen Sie wissen II) in Berlin
zu Gunsten der Rothe nach deren Verhaftung
vorstellig zu werden** (— bei wem denn und wo?! —),
so erkläre ich Ihnen hiermit öffentlich aufs Bestimmteste, dass Sie
mit diesem (Sie übrigens, wie Sie schreiben, in Ihrer „bereits gefassten
Meinung nur bestärkenden" H „Gerücht" aufs Gröbste mystifizirt
wurden, indem an diesem geradezu lächerlichen Gerede auch kein
wahres Wort ist! (Wie leichtgläubig doch ein sonst so vorsichtiger,
bezw. misstrauischer und „wissenschaftlich gewissenhafter« Mann
gegenüber erbärmlichem Klatsch sein kann, wenn es sich um vage
Verleumdungen handelt, die seine „sich mühsam gebildete Ansicht
* zu unterstützen scheinen!) Anstatt nun von meiner wiederholt in
den „Psych. Stud." (namentlich im Maiheft S. 824) ausführlich gegebenen
Darstellung des wirklichen Sachverhalts, wenn Sie überhaupt mit
meiner Person sich befassen wollten, in Ihrer „Xenologie" Notiz zu
nehmen, haben Sie in der jüngst erschienenen Nr. 9 dieser „wissenschaftlich
" sein sollenden Zeitschrift gegen mich den Vorwurf
„schmählicher Abhängigkeit" wiederholt, den Sie in Ihrem Schreiben
dann damit motiviren wollen, dass es ja „eine alte Geschichte" sei:
„Wes Brod ich esse, des Lied' ich singe!" Es widerstrebt
mir, Sie auf die ganze Lächerlichkeit der Annahme hinzuweisen
, als ob ich auf das minimale Honorar, das der Herr Verleger
bezahlen kann, bei meinem Lebensunterhalt überhaupt
angewiesen wäre. Eine von so niedriger Gesinnung zeugende Lebensmaxime
(— es handelt sich bei unserem ganzen Streit um ethische
Differenzpunkte, Herr Doktor! —), würde ich, selbst wenn ich
es nöthig hätte, „ums Brot" zu arbeiten, niemals zu meiner Richt-
schnur gemacht haben! Wer mich näher kennt, weiss, dass ich ein
innerlich und äusserlich unabhängiger Mann bin, der lediglich seiner
Ueberzeugung zu Liebe schon ganz andere Stellungen und Bücksichten
in die Schanze geschlagen und diese dornenvolle Schriftleitung
überhaupt nur aus Begeisterung für die ein Menschheitsinteresse
repräsentirende Sache übernommen hat. Ich selbst würde es
für eine bodenlose Gemeinheit halten, Ihnen z. B. auf einen blossen
Schein hin die Beschuldigung zu insinuiren, dass Sie sich etwa bei
der Behandlung Ihrer Patienten durch die Rücksicht auf ein redlich
verdientes Honorar hinsichtlich der Ehrlichkeit Ihrer Meinungsäusserung
beeinflussen lassen. Dass für jeden Verleger sein
Geschäftsinteresse, bezw. die Rücksicht auf die Abonnenten ausschlaggebend
ist, liegt ja auf der Hand, und dass auch ich speziell
in der Rotheaffäre ebendeshalb wiederholt keineswegs leichte oder
angenehme Konflikte um die Reinhaltung der „spiritualistischen
Ideale" zu bestehen hatte, habe ich des öfteren bereits angedeutet.
Wenn ich aber hierbei nicht jedesmal genau Das durchgesetzt hätte,
was ich selbst für recht und passend hielt, so hätte ich allerdings
die Redaktion längst niedergelegt. Wenn nun Ihnen von
diesen redaktionellen Vorgängen nichts Näheres bekannt war, so
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