http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0019
Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc.
9
Und leuchtend durch des Himmels tiefste Nacht,
Ein Stern mir, Adonais Seele, blinkt,
tTnd wie vom Heimathsort' der ew'gen Geister winkt.
Obwohl Shelley in „Königin Mab" VII. in der berühmten
Apostrophe: „Es ist kein Gott! Lass* Erd und Himmel" u. s. f.
sich zum Atheismus bekennt, so sagte er doch zu Soulhey:
„Ich glaube, dass Gott eine andere Bezeichnung für das
Weltall ist." Und in der That vergottet er das Weltall;
„das allgemeine Pan" ist ihm das „ewig-schöpferische Wort",
sagt er in der „Fee des Atlas"; und in seinem „Entfesselten
Prometheus" lese man, was in der III. Scene des III. Aufzuges
die Erde spricht. Sein Gedicht „Alostor oder der
Geist der Einsamkeit" beginnt mit den Worten: „Luft,
Erde, Meer, geliebte Brüder mir!" Schon 1815 in seinem
Fragmente „Ueber das Leben" sagt er über den Materialismus
: „Der Materialismus ist ein verführerisches System für
junge und oberflächliche Geister. Er verleitet seine Anhänger
zum Reden und dispensirt sie vom Denken. Ich war
aber unbefriedigt mit der Weltanschauung, die er hervorbringt
." Ueber die höchsten und letzten Geheimnisse
reden, ist ihm zwecklos, nur die Todten verstehen sie und
Demogorgon sagt:
Ja wenn der Abgrund sein Geheimniss nur
Ausspeien könnte l Doch die Stimme fehlt.
Und ewig bildlos bleibt die tiefe Wahrheit.
(„Entfesselter Prometheus*.)
Eine Freiheitsliebe und ein Hass gegen Tyrannen und
Unterdrücker durchloht sein ganzes Wesen und entladet
sich besonders explosiv in „Königin Mabu und in geläuterter,
reinerer Weise in „Laon und Oynthra" (gewöhnlich „The
Bevolt of Islam" genannt), sowie im „Entfesselten Prometheus",
dem Reifsten, was Shelley je geschrieben. Trotz der von
heiligem, elementarem Zorne zeugenden Anklage gegen
König und Priesterthum („Krieg ist des Staatsmannes Spiel
und jenen königlichen Mördern" u. s. f. IV. Ges. „Mab") ist
er doch kein Fanatiker, der Blut vergiessen will. „Wie
grässlich und wie schlimm bist Du, o Hass, auch wenn Du
selbst für Liebe Dein Blut opferst." Er weiss, dass auf
Gewalt stets Gewalt folgt. Ihm aber, in seiner hohen
Reinheit sind die Zauberworte, welche die gefesselte Menschheit
befreien, diejenigen, mit welchen Demogor gon die welterlösende
Kraft thatkraffiger, kosmischer Liebe feiert:
.Leiden ertragen, das der Hoffnung dünkt endlose Noth;
Unrecht vergeben, das schwärzer als Nacht ist und Tod,
Mächte, die übergewaltig erscheinen, nicht scheuen,
Lieben und Dulden und hoffen, bis der Hoffnung Kraft
Neu aus dem eigenen Wrack das Ersehnte schafft;
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0019