Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 18
(PDF, 181 MB)
Bibliographische Information
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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10 Paychisohe Stadien. XXX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1903.)

ist total blind, das rechte Ohr taub, die rechte Nasenhälfte
hat den Geruch, die rechte Zungenhälfte den Geschmack
verloren. Die ganze Haut der rechten Körperseite bis
genau zur Mittellinie hin ist anästhetisch gegen Berührung,
Temperatur und Schmerz. Der Kranke weiss nicht, ob man
den Arm im Ellenbogengelenk beugt, er hat (bei geschlossenem
linken Auge^ keine Ahnung von der Lage seiner
rechtsseitigen Glieder. Trotzdem besteht kein Zeichen
von Ataxie; ja oft weiss der Betroffene vor der Untersuchung
durch den Arzt gar nichts von seiner Hemianästhesie!
Es ist dies der schlagende Beweis dafür, dass es sich um
ein ausschliesslich psychisches Phänomen handelt. Nach
wie vor nehmen die Sinnesorgane die ihnen zufliessenden
Reize auf, nach wie vor leiten die zentripetalen Nerven sie
zum Gehirn, nach wie vor werden sie dort zu den richtigen
Beweg ungsantrieben verarbeitet, nach wie vor ist die hierauf
erfolgende Innervation ungestört, — aber die Sinnesreize
werden nicht empfunden. Hier stehen wir offenbar
vor einem der schwierigsten Probleme, an denen die Psychologie
jemals ihre Deutungskraft hat messen können.

Meines Erachtens ist eine Erklärung der hysterischen
Anästhesie nur denkbar, wenn wir diese als eine Apperzeptionsstörung
auffassen* Wir wissen, dass uns in jedem
Augenblicke eine Summe zentripetaler Heize zugehen, die
unsere Bewegungen dirigiren. Der weitaus grösste Theil
davon wird von uns mit der zunehmenden Einübung der
Bewegungen nicht mehr als Empfindung apperzipirt; desto
weniger spüren wir von ihnen etwas, je mehr wir unsere
Aufmerksamkeit einer anderen Vorstellung zuwenden. Selbst
leichtere Schmerzempfindungen „vergessen4* wir, wenn eine
sehr gefühlsstarke Vorstellung sich in unsere Apperzeption
drängt. Man erinnere sich nur, wie wir den Lärm der
Strasse in der Grossstadt, der uns anfangs nicht arbeiten
lässt, schon nach kurzem „nicht mehr hören14; wie wir beim
Lesen, beim Zeichnen nichts von den Reizen empfinden,
die auf die Seitentheile der Netzhaut wirken. Um etwas
Aehnliches handelt es sich ganz sicher bei der hysterischen
Anästhesie. Welche Momente es allerdings sind, die alle
von der einen Körperhälfte herkommenden Sinnesreize
daran hindern, apperzipirt zu werden, darüber wissen wir
noch nichts. Aber diese Eigentümlichkeit kann auch nicht
eine psychologische, sondern lediglich eine physiologische
Lösung finden, während die Anästhesie an sich der psychologischen
so gut wie der physiologischen Diskussion untersteht
. Möbius hat das geistreiche Wort geprägt: „Die
Hysterischen fühlen, aber sie wissen es nicht." Ich


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