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22 Psyohisohe «radien. XXX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1903.)
Sprüche für Uebertreibungen zu halten, falls man nicht
gerade durch geeignete Erfahrungen anders belehrt worden
ist. Ueber solche Erfahrungen, die ich in meiner Goethe-
Angelegenheit, und zwar nicht nur mit Zeitungsschreibern,
gemacht habe, sei hier zunächst berichtet.
Die „Frankfurter Zcitnng" brachte — worauf ich von
Herrn Dr. E. Bohn in dankenswerther Weise aufmerksam
gemacht wurde — im vergangenen Sommer (am 21. Juli)
eine Feuilletounotiz folgenden Inhaltes:
„[Goeihefs Urtheil über den Spiritismus.) Uns wird geschrieben
: In einem Briefe an Lavater vom 14. Nov. 1781
schreibt Goethe: „Ich bin geneigter als Jemand noch an
eine Welt ausser der sichtbaren zu glauben, und ich habe
Dichtungs- und Lebenskraft genug, sogar mein eigenes beschränktes
Selbst zu einem Swedenborg'sehen Geisteruniversum
erweitert zu fühlen. Alsdann mag ich aber gern, dass das
alberne und ekelhafte menschliche Exkrement durch eine
feine G-ährung abgesondert und der reinlichste Zustand, in
den wir versetzt werden können, empfunden werde. Was
soll ich aber zu Geistern sagen, die solchen Menschen
gehorchen, solches Zeug vorbringen und solche Handlungen
begehen! Ich weiss wohl, wie Du solche Dinge zusammenhängst
und will Dich weder widerlegen noch bekehren, mir
aber wenden sich die Eingeweide bei dergl. Thorheiten
um, besonders da mir das Schädliche davon so oft sichtbar
geworden ist. Zugleich musst Du mir erlauben, dass
ich über das Kostüme, worinnen der Geist sich gemahlt, eine
Chicane (sie!) mache. Es ist dies die gewöhnliche Kleidung,
in welcher unsere Juden am Schabbess zu gehen pflegen,
und ich zweifle sehr, dass die Seher jener Zeiten, woher
sich Gablidone (so hiess der Geist, um den es sich handelte)
schreiben will, in einem solchen Putze aufgetreten seien.
Dass die Stückchen vom wahren Kreuze mir nun noch
völlig den ganzen Handel verdächtig machen, kannst Du
Dir leicht einbilden. Genug, ich kehre von dieser überirdischen
Bekanntschaft um nichts klüger und um nichts
besser zurück, welches die einzige Bedingung wäre, unter
welcher ich einige Ehrfurcht für jene unbekannten Freunde
haben könnte. Ausserdem sie mir nach meiner Gedenkungs-
art äusserst gleichgültig bleiben müssen." Was die „Ge-
denkungsart" aller vernünftigen Menschen den spiritistischen
„Stückchen" gegenüber sein müsste." —
Ich frug alsbald bei der Redaktion der „Frankfurter
Zeitung" an, ob ich im Anschluss an dieses keineswegs
erschöpfende „Urtheil" Goethefs die Stellung des Altmeisters
zum Spiritismus richtiger und vielseitiger darlegen oder
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