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Tod durch Ueberredung.
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Versuchsperson zeigten sich die durch die Ueberredung hervorgerufenen
Hallucinationen mehr und mehr. Sie stieg
bis zur letzten Sprosse der Leiter hinauf, ihre Gesichtszüge
veränderten sich, das Antlitz wurde leichenblass; sie begann
mit Händen und Füssen um sich zu schlagen, ihre Athmung
wurde immer schwächer, und wer weiss, welches Ende die
Sache genommen hätte, wenn nicht de Rochas ihr im Befehlstone
zugerufen hätte: „Ihr schlaft! Wacht auf!" Der
Forscher fügt diesem Berichte noch hinzu, dass solche Versuche
sehr gefährlich seien, weil die fragliche Person unter
Umständen vor Angst sterben könne.
Das3 ein solcher Ausgang thatsächlich möglich ist, wird
durch zwei klassische Beispiele bezeugt. In England ist
einmal ein zum Tode Verurtheilter den Aerzten zum Zwecke
eines psychologischen Experimentes übergeben worden. Dieser
Unglückliche wurde auf einem Tische befestigt, dann wurden
ihm die Augen verbunden, und man sagte ihm, man würde
ihm den Hals durchschneiden und sein Blut fliessen lassen,
bis der Tod eingetreten wäre. Darauf wurde mit der Spitze
einer Nadel ein unbedeutender Stich in die Haut des Halses
ausgeführt und aus einem Gefäss ein Wasserstrahl auf die
betreffende Stelle gelenkt, so dass das Wasser mit einem
leichten Geräusch vom Halse herunter in ein am Boden
aufgestelltes Gefäss rann. Nach sechs Minuten war der
Mensch todt, der ohne Zweifel geglaubt hatte, in dieser
Zeit 5 bis 6 Liter Blut verloren zu haben. — Das zweite
Beispiel eines Todesfalles durch Ueberredung wird wiederum
von de Rochas berichtet. Ein Diener in einem Pariser
Colleg hatte sich den Hass der Studenten zugezogen, und
diese beschlossen, sich an ihm zu rächen. Einige von ihnen
bemächtigten sich seiner, sperrten ihn in ein dunkles Zimmer
ein und hielten in seiner Gegenwart ein Gericht über ihn
ab, wobei alle seine Verbrechen genannt wurden. Das
Urtheil lautete auf Todesstrafe durch Enthauptung. Man
eröffnete nun dem Verurtheilten, nachdem ein Klotz und
ein Beil herbeigeschafft waren, dass er nur 3 Minuten Zeit
hätte, seine Sünden zu bereuen und seinen Frieden mit dem
Himmel zu machen. Nach Verlauf dieser Zeit verband man
ihm die Augen, zwang ihn niederzuknien, entblösste ihm
über dem Klotz den Hals, und einer der Theilnehmer an
diesem grausamen Spiel versetzte ihm mit einem nassen
Handtuch einen Schlag in den Nacken. Dann forderten
ihn die Anwesenden lachend auf, sich zu erheben. Zu
ihrem grossen Erstaunen rührte sich der Mann nicht, und
als man ihn schüttelte und den Puls fühlte ? stellte sich
heraus, dass er todt war. —
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