Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 50
(PDF, 181 MB)
Bibliographische Information
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50 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1903.)

Frevelhaft wäre es natürlich, auf derartige ludizien hin
immer Todesurtheile zu fällen. Wie problematisch diese oft
sind, das zeigt der traurigste Fall in der Kriminalistik,
der Fall Ziethen, Bekanntlich sollte der Barbier Ziethen
seine Frau erschlagen haben. Ein Gendarm traf sie an,
als sie noch einmal die Augen aufsehlug; da trug er sie:
Ist es der Mann gewesen? Sic riss die Augen auf und
nickte; darauf hauchte sie ihren Geist aus. Diese Aussage
des Gendarmen war entscheidend. Der Vortragende betrachtet
das Urtheil, dar. auf Todesstrafe lautete (umgewandelt
in lebenslängliche Zuchthausstrafe) im Lichte der
modernen Wissenschaft. Bei der Ziethen war das ganze
Hinterhaupt und die Schläfe zertrümmert; also steht es
nach der Wissenschaft fest, dass, wenn auch die Frau die
Augen öffnete, sie nichts mehr sah und nichts mehr hörte,
das Nicken also nur automatisch war. Wenn damals die
Gerichtsärzte den Einfluss gehabt hätten, den sie haben
sollten, dann hätte man auf die Aussage des Gendarmen
nie jts geben können. Das Urtheil kann, so schloss Dr. von
Pannwitz dieses Kapitel, vor dem Stande der Wissenschaft
nicht bestehen. (Ziethen ist bekanntlich im Zuchthause
gestorben.) —

Viel wichtiger als die Fehler der primären Behandlung
sind die Fehler der Reproduktion. Es wurden genaue
Experimente über den Werth von Zeugenaussagen
angestellt, und zwar wurden 33 Personen aus den gebildeten
Stande:* im Alter von J8—25 Jahren genommen, denen
drei verschiedene Bilder, eh* einfaches, ein weniger einfaches
und ein komplizirtes vorgezeigt wurden. Diese Personen
wurden veranlasst, die Bilder je dreiviertel Minuten anzusehen
, und darin nach ihrer primären Wahrnehmung die
erste, nach 5 Tagen die zweite, nach 14 Tagen die dritte
und nach 21 Tagen die vierte Beschreibung zu geben* Nun
hat sich u. A, herausgestellt, dass von den sekundären
Aussagen 10 Prozent falsch waren; nach 90 Tagen würde
aber ein Drittel der Aussagen schon falsch gewesen sein.
Was den Unterschied zwischen den Geschlechtern betrifft,
so vergassen die Damen sehr viel weniger als die
Herren, aber sie fälschten sehr viel mehr Nach
21 Tagen machten 71 Prozent Herren und N5 Prozent
Damen Feiner; die Fehler der Damen am Schluss verhielten
sich zu denen der Herren wie 4,8:2,1. Interessant dabei
war, dass die Fehler, die anfangs nur angedeutet waren,
sich immer vergrößerten. — Es wäre aber nicht richtig,
wenn man aus diesem Experimente unbedingte Schlüsse
aui den Gerichtssaal ziehen wollte; denn beim Experimente


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