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Kurze Notizen.
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c) Zum Fall Rothe wird aus Berlin mitgetheilt,
dass der Impresario und Mitangeklagte des „Blumenmediunis",
Max Jenisch (wie eigentlich bei dem „evasiven" Charakter
dieses nach unserer Ansicht Hauptschuldigen nicht anders
zu erwarten war) sich der gerichtlichen Verantwortung feiger
Weise entzogen und „das Weite gesucht" habe, wobei er
überdies die Frechheit hatte, dem Staatsanwalt zu schreiben,
er habe jetzt lange genug auf die Prozessverhandlung gewartet
und müsse nunmehr im Auslande seinem Broterwerb
nachgehen; in diesem Sinne möge die Anklagebehörde einstweilen
auf sein Erscheinen warten! — Aus derselben Quelle
erfahren wir noch nachträglich, dass der frühere Kupferschmied
Hermann Rothe, mit welchem die 1850 in
Altenburg geborene Tochter des Maurerpoliers Zahl seit
ihrem 18, Lebensjahr in keineswegs glücklicher Ehe verbunden
war, am vergangenen 12. November in Berlin
gestorben ist. Der am 15. November auf dem Thomas-
Kirchhof daselbst stattfindenden Beerdigung durfte Frau
Rothe, welcher dieselbe Bitte beim Begräbniss ihrer Tochter
im Frühjahr von der Behörde abgeschlagen worden war,
in Begleitung eines Transporteurs beiwohnen; ihr Befinden
und dem entsprechend ihr Aussehen soll sich i>aeh dem
Bericht von Augenzeugen wieder wesentlich gebessert haben.
— Kurz vor Redaktionsschluss erfahren wir noch aus der
5. Beil. der „Leipz. N. Nachr." vom 13. Dez., dass die
Gerichtsverhandlung gegen Anna Rothe voraussichtlich im
Monat Januar oder Anfangs Februar stattfinden wird.
Seitens der Staatsanwaltschaft wird auf ca. 90 Zeugen
Bezug genommen. Rechtsanwalt Dr. Schwindt wird dem
gegenüber die Ladung zahlreicher anderer Zeugen beantragen
, bezw. selbst veranlassen, welche bereit sind, zu bekunden
, dass in den Seancen, denen sie beigewohnt, von
irgend einer betrügericchen Manipulation der Angeklagten
nicht die Rede sein konnte, sondern alles völlig unverdächtig
sich abgespielt habe. Man werde sich also auf allerlei interessante
Mittheilungen aus dem „Reiche der vierten Dimension
" gefasst machen können.
d) Das bekannte spiritistische Medium,
die Frau des Schuhmachermeisters Abend} deren wir schon
öfter Erwähnung gethan und die seinerzeit in spiritistischen
Kreisen Kopenhagens Aufsehen erregte, wird von Dr. Egbert
Müller für „unecht" gehalten. Er hat Frau Abend gebeten,
sieb einer Prüfungssitzung zu unterziehen und ihr dafür
die nicht geringe Summe von 1000 Mk. geboten. Bisher
hat er aber trotz des hohen Angebotes noch keine Antwort
erhalten. („Deutsche Warte" Nr. 337 v. 8. Dez. er.)
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