http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0086
76 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1908.)
weilen narrt und sie das, was bloss durch sie geschehen
soll, unter unwiderstehlichem Drange, nun kurzweg mit den
eigenen Gliedern bewirken wollen? Paul Joire hat in
seiner beherzigenswerthen Abhandlung „Ueber die Experi-
mentationsmethode bei psychischen Phänomenen*1, die hoffentlich
nicht umsonst für uns in der „Uebers. Welt" 1902
gedruckt ward (s. vornehmlich S. 126—29), ausführlicher
erörtert, was alles die Täuschungen der Medien noch ausserdem
verursachen kann, und darunter nicht zuletzt auch die
argwöhnische Gesinnung mancher Sitzungstheilnehmer erwähnt
, die sich wie ein suggestives Gebot unentrinnbar auf
die Medien in ihrem hier jedweder Suggestion offenen Zustande
übertragen kann. Crookes hat ferner nach reicher
Erfahrung uns belehrt, dass der Trance der Medien durch
äusserliche Anzeichen keineswegs feststellbar ist und dass
Home sicher mitunter sich im Trance befand, ohne dass
dafür ein äusserer Anhalt vorhanden war. Daher sollen
wir Bedenken tragen, das Medium auch ohne Merkmale
eines Trance für alles verantwortlich zu machen, was es
thut. Aber hat dann nicht am Ende jeder Betrug freie
Wege und spottet unsres Nachweises? Durchaus nicht;
doch ist nur der Geduldige und Umsichtige hier der zuständige
Richter. Den richtigen Gradmesser gewährt uns
garnichts als die psychologische Abschätzung des gesammten
Verhaltens nach ausgiebigster Beobachtung und die Summe
der Leistungen eines Mediums, die, falls zweifellos echte
nachgewiesen wurden, häufig auch in genug Fällen der
Täuschung mit psychologischem Verständnisse vor allzu nachtheiligen
Meinungen bewahrt werden sollen. Das hier oft
so leicht genommene Urtheil ist also ausserordentlich schwer.
Der Geduld braucht es dafür in reichem Maasse und wenn
längst die Medien als äusserst feine und leicht verstimYn-
bare Instrumente beschrieben wurden, wie z. ß. von du Prel,
Schrenck - Notzing, Joire, so versteht es sich von selbst,
dass ihre grosse Suggestihilität auch bei sämmtlichen Vorgängen
der Täuschung in ernste Obacht zu nehmen ist.
Alle andern Anwesenden sitzen um das Medium herum als
gute oder schlechte Kritiker. Das Medium allein ist in
seiner Suggestibilität möglichst unkritisch, und wenn es dann
zufällige Vorgänge selbst bisweilen als etwas Okkultes annehmen
will uud verkündigt, so ist es grober Unverstand,
es etwa deshalb sofort des Betruges zu bezichtigen. Es
wäre gerade so, als wollten wir ein vierjähriges Kind, das
für seinen blanken Rechenpfennig am Ladentisch Chokolade
fordert, als Betrüger strafen. Möglichst viel Fabelhaftes
in medianimen Sitzungen sehen zu wollen, um dann blind
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0086