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Bormann: Der Prozess Lyon-Home,
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Brief und schlug eine gemeinschaftliche Badereise mit ihr
nach Deutschland vor. Sie antwortete ihm zustimmend
mit holdseligen Worten, ihm Erheiterung und Genesung
wünschend, und lud ihn zu sich ein. Als er alsdann vor
sie trat, da war der Engel verschwunden und der Teufel
stand wieder vor ihm. Sie fuhr tobend auf ihn ein, behauptete
, dass nicht sie zu ihm, sondern er zuerst zu ihr
gekommen sei, und forderte Rückgabe der zuletzt ihm ausgefertigten
30000 Pfund und ihrer Schenkungsurkunde
darüber. Jetzt schwankte Home keinen Augenblick, ihr das
alles zurüekzugeben; doch, wie auch seine Freunde ihm
riethen, wollte er das nicht, ohne dass Mrs. Lyon förmlich
mit ihrer Unterschrift die Schenkungsurkunde zurücknahm;
denn sonst brandmarkte er sich selbst vor aller Welt als
Schwindler. Seine Freunde wollten in ihrem Unwillen sogar,
dass er die ganze Summe von 60000 Pfund, so wie er sie
mit allem Recht besitze, behalten solle, und einer gab den
Rat, die Gelder rasch im Auslande anzulegen, wogegen
sein gerader Sinn sich sträubte. Allerdings hatte er die
Worte der Mrs. Lyon, an deren Unberechenbarkeit er allmählich
sich gewöhnen mochte und bei deren Uebergängen
von Zärtlichkeit zur Wuth ihm nachgerade die Sinne wohl
schwindelten, zunächst so genommen, wie sie gesprochen,
und bloss sich auf Rückerstattung der 30000 Pfund bezogen.
Einhalt war indess durch gar kein Entgegenkommen
mehr möglich; denn schon hatte Mrs. Lyon dem Dämon in
ihrer Brust gehorcht und gegen Home die Anklageschrift
eingereicht, nach welcher er als Betrüger mit spiritistischen
Gaukeleien ihr Geld und Gut sich angeeignet habe und
nicht allein die bisher zurückverlangten 30000 Pfund,
sondern die ganze empfangene Summe von 60000 Pfund
wiedererstatten sollte. Home wurde am 18. Juni 1867 verhaftet
und nach einem Tage, als er die Schenkungsurkunden
über die sämtlichen 60000 Pfund ausgeliefert, wieder in
Freiheit gesetzt. Ganz verlassen war er nicht in diesem
Jammer; denn die Lords Linäsay und Adare wichen nicht
von seiner Seite in jenen 24 Stunden. Mrs. Lyon äusserte
unverhohlen und triumphirend unterdess ihren Hass gegen
sein Kind und gegen ihn, den von ihr charakteristisch genug
für ihre eigne Denkart bezeichneten „lebendigen
Leichnam". Sie hatte alku Recht; denn unregiert und
hilflos lag sein Leib, während er laut einem ärztlichen
Attest Tage lang im Delirium irre sprach, von fünf Aerzten
behandelt und auch misshandelt.
Der Vertheidiger Wilkinson konnte der mütterlichen
Witwe die Ausdrücke grenzenloser Verehrung vorrücken,
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