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142 Pnyohißohe Studien. XXX. Jahrg. 3. Heft. (März 1908.)
in welchen sie ohne Aufhören zuvor zu ihm über Home gesprochen
, und wie sie ihn gepriesen habe als ihr „höchstes
Glück". Er konnte ihr entgegenhalten, wie sie nach allen
seinen geradezu aufdringlichen Warnungen, nichts Ueber-
eiltes zu thun, Home alles auf der Stelle hatte schenken
wollen, um die Erbschaftssteuer zu ersparen, und wie sie
hoch und heilig beteueit hatte, sie werde nach der Schenkung
von 30000 Pfund nie ihren Willen ändern, nachdem er
ihr verdeutlichte, dass sie wohl ein Testament, aber nie solche
Schenkungen widerrufen könne. Sie hatte Wilkinson ausserdem
zum Bevollmächtigten der ihr als Messbrauch versprochenen
Zinsen von den zuletzt an Home geschenkten 30000 Pfd.
eingesetzt und ihm das äusserte Vertrauen bewiesen. Am
11. Mai noch, nachdem sie schon am 6. Vorbereitungen für
den Process getroffen, hatte sie bei Wilkinson Home gepriesen,
wurde aber in ihren Geldverfügungen bereits schwankend
und sagte damals, dass sie erst nach dem Tode Hornel ihr
Testament ändern werde, da sie den Knaben nicht möge.
Am 13. Juni, als Wilkinson sie zuletzt sah, war sie plötzlich
umgeschlagen und bestritt sämmtliche Abmachungen und
Weigerungen Wilkinson's und Home% schilderte sich als von
diesem betrogen. Darauf trat Wilkinson von der Stellung
ihres Bevollmächtigten zurück. Wie sehr dieses Weib die
Gabe der Verstellung besass, erhellt daraus, dass auch
Wilkinson bekannte, über sie eine gute Meinung gefasst zu
haben; es war ihm ein scharfer Verstand an ihr aufgefallen
und er hatte sich gern beeifert, gerade ihr Interesse wahrzunehmen
. Für solche Mühwaltungen bezahlte sie ihn weder
vorher noch nachher je, wie sie übrigens auch die angeeigneten
Juwelen und Spitzen von Home1* verstorbener
Gattin zu keiner Zeit zurückgeliefert hat.
Kann nun ein Mensch in Zweifel sein, was den Umschlag
abgöttischer Liebe in tödlichen, auf Schmach und
letzten Schimpf es absehenden Hass bewirkte ? Etwa fünfzehn
Jahre stiehlt diese alte Wittwe dreist der Welt ins
Gesicht von ihrem Lebensalter; sie behängt sich dafür mit
Schmuck und Spitzen von der jung verschiedenen Gattin
Hornel) sie überladet ihn ailsogleich mit aufdringlichen
Zärtlichkeiten, deren Piano das Eortissimo ihrer tobenden
Wut-Ausbrüche immer wieder ablöst; sie verfolgt den so
oft Geliebkosten endlich mit unversöhnlichem Hasse; sie
macht Testamente, aber ihr Trachten und Sehnen ist voll
eitler Lebensgier; in so manchen Worten verräth sie, wie
die Klugen so oft es thun, ohne alle Klugheit, was so fein
und unfehlbar ihr gemeiner Weltverstand zu berechnen
meinte; sie thut siegeslächelnd ihren vollen Kasten auf
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