Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 155
(PDF, 181 MB)
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Hellpaoh; Hysterie und Nervosität. 155

das Gefühl der Verantwortung seine intensivsten
Steigerungen erfährt und sich mit dem peinigenden Bewusst-
sein verbindet, dass eine kleine Zufälligkeit das mit Einsatz
der vollen Verantwortung Gewagte stürzen kann — dort
sehen wir die Nervosität ihre Opfer fordern. Darum ist sie
auch, daran halte ich unbedingt fest, ein vornehmlich in
den oberen, den leitenden Ständen und in solchen Beamtenschaften
, wo mit mechanischer, interesseloser Thätigkeit eine
hochgradige Verantwortlichkeit verknüpft ist — beim Bankwesen
, der Bahnverwaltung, der Telegraphie — lokalisirtes
Leiden. Das mittlere Beamtenthum, die eigentlichen Geistesarbeiter
an den Hochschulen, das junge Offizierskorps stellen
einen auffallend geringen Prozentsatz Nervöser. Und wir
werden noch sehen, dass auch in der industriellen Arbeiterschaft
viel weniger die Nervosität, als eine eigenartige
Form der Hysterie — die Onfallsneuro^e — Verbreitung
gefunden hat.

Schon die bisherigen Darlegungen deuten wohl darauf
hin, dass die Neivosität von jenem psyebopathischen
Zustand, den wir als Neurasthenie geschildert haben,
gänzlich verschieden ist. Die Nervosität ist eine
Erkrankung des vorher gesunden Seelenlebens aus übermässiger
Anspannung der Willensseite desselben, ist eine
Erschöpfungspsychose. Die Zeichen der Neurasthenie
treten meist schon im kindlichen Alter mit nicht zu verkennender
Deutlichkeit hervor. Das ist natürlich, dass
neurasthenische Menschen sehr oft nervöse Bilder bieten,
und dass andereiseits eine schwere Nervosität bei falscher
Behandlung chronisch werden und den Betroffenen zum
Neurastheniker stempeln kann. Im übrigen aber sollte
festgehalten werden, so schwer auch in der Praxis die
Unterscheidung oft erscheinen mag: dass die Neurasthenie,
wie die Hysterie, ein angeborener krankhafter Seelenzustand
ist, die Nervosität dagegen, ähnlich der Katatonie, eine
Erkrankung von bestimmtem Verlaufe, der zur Genesung
führen, allerdings auch in einen der Neurasthenie ähnlichen
Schwächezustand ausklingen kann.

Die eingangs aufgestellte Begriffsbestimmung der
Nervosität erblickte die wesentliche psychische Veränderung
in der Steigerung der Unlust-, Erregungs- und Spannungsgefühle
. Die drei Gefühisrichtungen voneinander zu sondern,
ist im einzelnen Falle meist unmöglich. Die Unlust verräth
sich m melancholischen, deprimirten Stimmungen, in einer
Abweisung jeder Thätigkeit, im Mangel an Freude und
Genuss; die Erregung findet in peinigender Unruhe, in
dem Gefühl, durch alle kleinsten Reize gestört, belästigt


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