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Hübbe-Schleiden über Selbstbeherrschung und Selbstzucht etc. 173
tration oder Meditation im engern Sinne; dann aus der
Beschauung oder Anschauung, der Kontemplation;
und als dritte alt-bewährte Uebung schiiesst sich daran Das,
was die katholische Praxis als all-abendliche Gewissens-
Erforschung von jedem Laien fordert. Man hat diese
auch als „geistige Führung des Lebens-Hauptbuches" gekennzeichnet
, indem man sich damit dem geschäftlichen
Charakter der germanischen Kultur anpasste. Die Meditation
im engern Sinne und die Kontemplation sind den
katholischen Laien insbesondere für die Fastenzeit vorgeschrieben
. Jene, die Konzentration, ist mehr intellektuell;
diese, die Kontemplation, ist mehr devotionell. Es sollen
aber durch diese Uebungen alle Seelenkräfte geschult und
beherrscht werden, der Verstand, die Einbildungskraft und
die Willenstriebe.
Die Konzentration bezweckt, das Denken in seiner
Gewohnheit des Abschweifens von einer gewollten Richtung
zu behindern, es von dieser Unart zu entwöhnen. Sie besteht
in einer Sammlung der Gedanken auf einen bestimmten
Gegenstand und in dem Vorwärtstreiben der Gedanken in
einer bestimmten Richtung. Solche Uebung kann an jedem
Gegenstande und in jeder Richtung mit Erfolg geschehen.
Aber für den Geistesschüler sollte diese Richtung selbstverständlich
aufwärts oder vielmehr inwärts liegen. Er
wird die Gedanken etwa auf eine Wahrheit sammeln, die
er ganz verstehen, in die er tief eindringen und die er sich
zu eigen machen will, oder auf eine Eigenschaft, die er in
sich zur Vollkommenheit bringen will. Soweit dazu als Unterlage
Stellen aus einer Schrift benutzt werden, ist dieses nicht
die Sammlung selbst, sondern nur eine Vorbereitung dazu.
Die Kontemplation (Anschauung) ist die Uebung
der Einbildungskraft. Dabei hat man sich geistige Gegenstände
oder Vorgänge mit allen innerlichen Sinnen vorzustellen
. So wird man sich in sein Ideal eines vollendeten
Meisters hineindenken, und zwar als das Wesen seines eigneu
höchsten Selbstes; insbesondere wird man sieb dessen vollkommene
Eigenschaften vergegenwärtigen, deren man am
nöthigsten bedarf, wie: Wahrheit, Reinheit, Willensfestigkeit,
wohlwollende, selbstlose Liebe u. s. w. Das Wichtigste dabei
aber ist die völlige Selbst-Hingabe an dieses Ideal. Wer
sich eine Person als Meister lebend, handelnd plastisch vorstellt
, wird sich dann in einen geistigen Verkehr mit diesem
selbstgestalteten Gedankenbilde einlassen. Nach alter Praxis
läuft stets die Kontemplation in ein solches Zwiegespräch
aus, wie dies Thomas a Kempis in seiner „Nachfolge Christi"
gut veranschaulicht hat.
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