http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0191
Delitzsch: Paradies und Hölle
I1L Abtheilung*
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
Paradies und Hölle«
Woher stammen die Vorstellungen Hölle und Paradies?
Ueber diese wichtige und religionsgeschichtlich interessante
Frage ist durch einige assyrische Funde ein ganz unerwartetes
neues Licht verbreitet worden. Der französische
Assyriologe lhureau*Dargien und nach ihm die vorderasiatische
Abtheilung der kgl. Museen zu Berlin haben kürzlich drei
aus babylonischen Gräbern stammende kleine, oben abgestumpfte
Thonkegel erworben, um welche rings herum
eine sehr sorgsam ausgeführte altbabylonische Inschrift
läuft. Sie besagt im Wesentlichen: nDiesen Sarg möge,
wer ihn findet, nicht behalten, sondern an seine Stelle
zurücktragen. Wer das thut, dem möge die Gutthat belohnt
werden; droben sei sein Name gesegnet, drunten
möge seine Seele klares Wasser trinken!*' Dieser Segenswunsch
, welcher als Lohn für gute Thaten den Trunk klaren
Wassers verheisst, zeigt, dass die Assyrer in das Leben der
Seelen in der Unterwelt eine auf sittlichen Motiven beruhende
Unterscheidung hineintrugen; die bösen Seelen gelangen in
eine heisse Hölle, die guten in einen kühlen, mit klarem
Wasser gesegneten Garten, wofür wir bei den Persern das
Wort „Paradeisos" (Paradies) finden* Wieder sind also
jüdische Vorstellungen als aus Assyrien entlehnt erwiesen,
wie das Prof. Delitzsch jüngst in seinem bekannten Vortrag
„Babel und Bibel" so einleuchtend nachgewiesen hat, worüber
die Tagesblätter, wie folgt, berichten:
In Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin, eines
zahlreichen Gefolges, des Reichskanzlers, der Gräfin Bülow,
der Minister Studt und Rheinbaben und einer zahlreichen
theils vornehmen, theils gelehrten Versammlung, wie sie zur
deutschen Orientgesellschaft gehört, hielt am 12. Januar er.
im Saale der Singakademie in Berlin Professor Friedrich
Delitzsch einen Vortrag, der eine Fortsetzung seines vor
etwa Jahresfrist gehaltenen Vortrags Babel und Bibela
war und der ebenso inui wahrscheinlich noch mehr als jener
Kritik und Widersprich aus den Kreisen strenggläubiger
Theologen erfahren wird. Gestützt auf die neuesten babylonischen
Ausgrabungen, die er durch Lichtbilder veranschaulichte
, erbrachte der Vortragende weitere Beweise
dafür, dass das hebräische Alterthum des alten, aber auch
12*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0191