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196 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 4. Heft. (April 1908 f ä
lieh sei, hatte er damit (wie Dr. Moll sagt)*) „das Grundprinzip
des Hypnotismus und der Suggestion« aufgestellt. Als nun
1841 der bekannte französische Magnetiseur Leonard Lafontaine
(f 1892) in Manchester Vorstellungen gab, befand
sich unter den Zuschauern auch der Chirurg Dr. James
Braid (f 25. Marz 1860), der durch Lafontaines Schaustellungen
veranlasst, selbst zu experimentiren begann und
dadurch zum „Entdecker" des Hypnotismus wurde. Mit
diesem, einem nervösen, künstlich (durch Fixiren) herbeigeführten
Schlaf, glaubt man nun heute alle Erscheinungen
des thierischen Magnetismus erklären zu können. 1843 erschien
Braid?$ Hauptwerk: „Neurypnologie"; auch mit Magie,
Hexerei und Tischrücken beschäftigte er sich eingehend.
Braid will alle Phänomene auf den physischen und psychischen
Zustand des Patienten zurückführen und nicht auf
die Beeinflussung des Agenten (= Magnetiseurs). Er kennt
die Katalepsie, die Autohypnose, kennt die Hyper-
aesthesie der Sinne, sowie deren Erlöschen in einem
tieferen Stadium der Hypnose, führt die Faszination auf
einen Monoideismus zurück, und hat die dabei auftretenden
psychischen und physischen Veränderungen mono-ideo-dyna-
misch genannt.**) Auch das Tischrücken erklärt Braid
durch einen unbewusst-wirkenden Monoideismus. Der Hypnotismus
entsteht nach ihm aus einer, durch ungewöhnlich
einseitige Anspannung der Aufmerksamkeit bewirkten unvollkommenen
Arterialisation des Blutes im Gehirn. Obwohl
Braid selbst wahre „ Wunderkuren", den Hypnotismus methodisch
jedem Krankheitsfall anpassend, wirkte, wurde er
doch von Aerzten (und Geistlichen) hart angegriffen und
verleumdet. Nachdem aber der Physiologe W. Carpenter
1853 öffentlich in einem Werke Braid'§ Entdeckung bestätigt
hatte, nachdem Professor Azam (Bordeaux) 1859 den
Hypnotismus in Frankreich eingeführt hatte, wo er bald
von bekannten Pariser Aerzten verwendet wurde, begründeten
Litbeault, Richet und Gharcot, auf Braid's Schultern
stehend, in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts die
Wissenschaft!iche Suggestionstherapie.
*) A. Moll: „Der Hypnotismus* (1889) p. 6. Prof. G. Gessmann
„Magnetismus und Hypnotismus" (1887) p. 41.
**) Braid isi auch der Entdecker des von ihm sog. Phreno-
Hypnotismus. Dies soJJ nämlich die Eigentümlichkeit mancher
Hypnotischer sein, bei Berührung gewisser Hautnerven (Hautstellen)
seitens des Hypnotiseurs, gewisse Emotionen, Zustände zu äussern,
ja gewisse geistige Thätigleiten zu entfalten. Um ein Beispiel zu
geben: durch Heizung des Wadenmuskels, der uns auf die Zehen
stellt, wird die Vorstellung des Tanzens erregt. W. Preyer: „Die
Entdeckung des Hypnotismus" p. 29 ff. u. 40.
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