http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0232
v. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 219
sie doch die Grundpfeiler des Glaubens hochhielten. Unter
ihnen finden wir die grössten Gelehrten, Erfinder, Entdecker
, Erzieher, Philanthropen, Staatsmänner u. s. w. Endlich
verhielten sich der Jenseitsfrage gegenüber Einige der
wirklich Grossen mehr oder weniger skeptisch, d. h. sie
sahen ein, dass die Dinge nicht so einfach sind, wie sie den
auf dem trügerischen Sinnenschein fussenden Verneinern
erscheinen, enthielten sich jedoch positiver Polgerungen
aus dieser ihrer philosophischen Erkenntniss. Ueberhaupt
sind jene zwei hierher gehörenden Thatsachen, nämlich
a) die erdrückend grosse Zahl bedeutender, aber nicht verneinender
Männer gegenüber den Verneinern, und b) die
erdrückend grosse Summe ihrer psychischen Leistungen
gegenüber denen der Verneiner, — so augenfällig, dass es
eine überflüssige Mühe wäre, dieselben noch durch Namenslisten
und biographische Notizen erhärten zu wollen. Nur
soviel sei noch hinzugefügt, dass sogar die kleine Schaar
der Thanatisten (d. h. der entschiedenen Leugner der Unsterblichkeit
), welche die materialistischen Schriftsteller aufzuweisen
im Stande sind, thatsächlich noch kleiner ist, indem
dieselben mehrere grosse Namen dahineinsteckten, wohin
sie nicht gehörten.
So sollen nach Höckel*) der grosse Grieche Empe-
dokles, ferner Cicero und Seneca Thanatisten gewesen sein,
welche Behauptung offenbar auf Unkenntniss der betreffenden
alten Litteratur beruht. Dass der entfernteste Vorgänger
Darwin'n, Empedokles, eine Seelen Wanderung und
eine schliessliche Rückkehr in ein Reich der Seligen lehrte,
unterliegt nicht dem geringsten Zweifel. Um Cicero'% Unsterblichkeitsglaubenkennen
zu lernen, hat man seine Schrift
(„De Senectute", XXI—XXII, 78—81) nachzulesen. Dass
Seneca, — der übrigens, weder nach dem Umfang seines
Talentes, noch infolge der Zweideutigkeit seines Charakters,
unter die wirklich Grossen gehört — kein positiver Leugner
der Fortdauer gewesen ist, folgt schon daraus, dass er sich
zur stoischen Philosophie bekannte. Die Stoiker nahmen,
obgleich sie sich hauptsächlich mit den sittlichen Motiven
dieses Lebens beschäftigten, eine bewusste Weltseele an
und hielten die menschlichen Seelen für Ausflüsse der göttlichen
Weltseele. Ferner weiss man ja, dass gerade eines
der Häupter der Stoiker, Cato von Utica, den Phädon des
Plato las, bevor er (46 v. Chr.) sich den Tod gab. Seneca
glaubte an eine Vorsehung; ferner sind manche Stellen in
seinem Werke nicht anders, als im Sinne einer ewigen Fort-
*) & Hüchel, Die Welträthsel 1900» S. 224.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1903/0232