Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
30. Jahrgang.1903
Seite: 225
(PDF, 181 MB)
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Seiling: Goethe und der Materialismus

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sondern auf das Wesen der Sache an; und da zeigt es sich
denn, dass Haeckel's „Monismus" aber auch die sämmtili
che n Merkmale des landläufigen Materialismus besitzt,
nämlich: die Ahnungslosigkeit in Sachen des erkenntnisstheoretischen
Problems; die Unmöglichkeit, das Bewusstsein
aus blindeo Kräften und überhaupt das Psychische aus dem
Physischen zu erklären; die endlose Wiederholung des
Weltprozesses; den Mangel aller Teleologie und den ausschliesslichen
Mechanismus des Weltgeschehens; den tollen
Widerspruch zwischen den „ewigen, ehernen" Naturgesetzen
und dem blinden Zufall; die Aufhebung der Selbstherrlichkeit
des Individuums, dem „an Bedeutungslosigkeit der
winzigste Bazillus nicht nachsteht", da es, wie dieser, nur
ein zufälliges und sinnloses Aggregat von Chemikalien ist;
den „frechen Unsinn" (Schopenhauer) der Leugnung anderer
als chemisch-physikalischer Kräfte; die endgiltige Vernichtung
des Menschenwesens durch den Tod; die Unfreiheit
des Willens ohne ein ergänzendes, transcendentes
Reich der Freiheit; die Unmöglichkeit der Moralbegründung
und die Leugnung einer sittlichen Weltordnung.

Das erste dieser Gebrechen ist, da es die anderen zum
grossen Theil in sich schliesst, zugleich das schwerste. Die
Ignorirung des erkenntniss-theoretischen Problemes hat so
verhängnissvolle Folgen, dass auf seine Bedeutung nicht
oft und ernstlich genug hingewiesen werden kann. Der
philosophische, oder richtiger: unphilosophische Standpunkt
des Materialismus ist der des naiven Realismus, welcher
annimmt, dass das sinnlich Wahrnehmbare auch das Wirkliche
sei. Er überspringt die allererste Thatsache, dass Alles,
was wir kennen, innerhalb des Bewusstseins liegt; er
übersieht, dass jeder Welterklärung die Untersuchung des
menschlichen Erkenntnissvermögens vorhergehen muss. Wie
ferne diese Forderung einem Ludwig Büchner lag, kann man
aus seiner kindlichen Behauptung ersehen, dass der beste
Beweis für die objektive Wahrheit des Weltbildes die Photographie
seil! Büchner, mit dem Ilaeckel Arm in Arm
marschirt, hat eben nicht begriffen, dass die Eigenschaften
der Materie, um welche allein es sich auch beim Photographiren
handelt, lediglich subjektive Empfindungsinhalte
sind und dass uns das wahre Wesen der Welt auf dem
Wege der äusseren Beobachtung ewig verschlossen bleibt.
Man kann es Schopenhauer wahrlich nicht verdanken, wenn
er die Weisheit derartiger Weiterleuchter, welche die Gedankenarbeit
eines Piaton, eines Locke und zumal eines Kant
gelassen zum Fenster hinauswerfen, in die Bedientenstube
verweist.

Pgyohische Studien. April 100,3. 15


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