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Unger: Madame d'Esperance.
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[Wiener] Blatt, welches zunächst auf meinen „Angriff" rea-
girte, so ziemlich unter Ausschluss der Oeffentlichkeit erscheint
, ist bekannt. Für mich wäre die Sache durch den
kommentarlosen Abdruck des Antwortschreibens der Mme.
d'Esperance in der nächsten Nummer des von mir redigirten
„Reich des Uebersinnlichen" erledigt gewesen, und zwar in
einem für das betheiligte Medium durchaus günstigen Sinne
f? — Red.]; denn dieselben Gründe, welche mich im Vorjahre
bestimmten, zwei Drittel der allerdings sehr grossen Auflage
meiner kleinen Revue gerade bei jener Nummer nicht
zur Versendung zu bringen, hätten mich bewogen, die
Nummer mit dem Briefe des Mediums in ganzer, wenn
möglich erhöhter Auflage zu verschicken. Da nun aber
diese Streitfrage einmal in die öffentliche Diskussion einbezogen
ist, sei es mir gestattet, einige erläuternde Bemerkungen
zu machen.
Zunächst: warum griff ich an? Der Thatbestand war
ja schon lange im engeren Kreise von Gesinnungsgenossen
durchgesprochen worden und ich hatte seinerzeit in München
mehreren Herren Mitarbeitern der „Psych. Stud." bestimmt
erklärt, dass ich den Angriffen auf Mme. ctEsperance keinen
Raum in meinem Organe gewähren werde. Mme. d'E. war
wiederholt Gast im Hause des Herrn Hofrath Seiling zu Pasing
jene auch den besten Freunden und Kennern dieses hervorragenden
Mediums längst „sonderbar" erschienenen Bilder für durchaus wün-
schenswerth, zumal Äksakorr's zu ihren Gunsten ins Feld geführte
Autorität insofern u. E. nicht in Betracht kommen kann, als er
sich darüber in seiner von Dr. WiWg übersetzten „Biograph. Skizze«
(Leipzig, 0. Mutze, 1896, S. 26) selbst, wie folgt, äussert: „Kaum war
mein Buch erschienen, als ich erfuhr, dass man zu Gothenburg bei
Privatseancen mit einem Medium, Mrs. (V Etp&apce, welches ich sehr
gut kannte und dessen Ehrenhaftigkeit für mich ausser Frage stand,
soeben Photographien der materialisirten Gestalt und des Mediums
zu gleicher Zeit erhalten habe. Man lud mich ein, hinzukommen,
indem man mir alle Freiheit des Handelns gewährte, um mich von
der Echtheit des Phänomens zu überzeugen. Ich begab mich daher
im Monat Mai 1890 dorthin und verblieb 6 Wochen daselbst.
Mrs. <PE. unterwarf sich mit dem besten Willen allen Bedingungen
und Prüfungen, die es mir gefiel, ihr aufzuerlegen. Ien hatte
so Gelegenheit, eine nähere Bekanntschaft mit den geheimnissvollen
Phänomenen der Materialisation
zu machen; aber ich konnte das spezielle Phäno -
men nicht erhalten, wegen dessen ich gekommen
war, d. h. die materialisirte Gestalt und das Medium
zu gleicherZeit zu sehen und zu photogra-
thiren. *— Dass freilich die Betrugshynothese beim Zustande-
ommen jener Bilder hinsichtlich des Mediums ausscheidet, geht
für jeden nicht ganz oberflächlichen Kenner der ausserordentlichen
Schwierigkeit des Problems gerade aus dem negativen Besultat dieser
Fehlversuche zur Evidenz hervor. — Red.
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