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248 Psychische Studien. XXX. Jahrg. 4. Heft. (April 1908.)
zur Wiederaufnahme seiner Bewegungen durch eine Art
Massage veranlasst wurde. Die Ergebnisse solcher kühner
Eingriffe haben wohl gezeigt, dass auf diesem Wege die
Herzthätigkeit etwas länger aufrechterhalten werden kann;
aber bisher hatte der Tod nur immer um verhältnissmässig
kurze Zeit verzögert werden können, so dass das Verfahren
praktisch als nutzlos erschien. Dr. Siarling ist in einem
ähnlichen Fall glücklicher gewesen« Er operirte einen
65 Jahre alten Mann wegen Appendicitis (Entzündung des
wurmförmigen Portsatzes am Blinddarm) unter Anwendung
von Lachgas und noch anderen Betäubungsmitteln. Er merkte,
dass der Puls und die Athmung in bedrohlichem Grade
nachzulassen begann und schliesslich stillstand. Sofort wurde
künstliche Atmung eingeleitet, führte aber ebensowenig zur
Wiederbelebung, wie das bekannte Mittel des Ziehens an
der 2<unge. Daraufhin fühlte sich der Arzt zu etwas Ausserordentlichem
berechtigt. Er steckte seine Hand durch die
im Unterleibe gemachte Wunde und erfasste das bewegungslose
Herz durch das Zwerchfell hindurch. Er übte nun
mit der Hand einen Druck auf das Herz aus und fühlte,
dass es danach wieder zu pulsiren begann, obgleich ein
Pulsschlag in dem Handgelenk noch nicht fühlbar wurde.
Gleichzeitig wurde nun die künstliche Athmung fortgesetzt,
auch andere Mittel zur Wiederbelebung angewendet, und
in der That stellte sich nach 42 Minuten die natürliche
Athmung wieder ein und auch der Puls war wahrnehmbar.
Die Operation wurde nun ohne Anwendung von Betäubungsmitteln
vollendet, und der Patient genas. Er behielt von
dem sonderbaren Eingriff keine weiteren Folgen zurück als
eine gewisse Spannung des Zwerchfells. Der ganze Fall
ist wunderbar und steht, wie gesagt, vorläufig einzig da.
Man wird somit nicht den Schluss daraus ziehen dürfen,
dass eine Wiederbelebung von jetzt ab auf ähnliche Weise
immer oder auch nur in einer grossen Zahl von Fällen
möglich jein wird. Bisher hatte man behufs Ausführung
der Herzmassage für nöthig gehalten, über dem Herzen
selbst einen Einschnitt zu machen und das Organ bloss-
zulegen. Die früheren Misserfolge sind noch vielleicht alle
dadurch zu erklären, dass das Herz diese Blosslegung an
an sich nicht erträgt. Daraus lässt sich wenigstens die
Möglichkeit voraussehen, dass die Herzmassage vom Unterleib
her durch das Zwerchfell häufiger zu einem glücklichen
Ziel führen werde. Jedenfalls ist der Nachweis von ausserordentlicher
Wichtigkeit, dass dadurch bei Unterleibsoperationen
eine Möglichkeit zur Wiederbelebung gegeben
wird, wenn der Patient die Narkose nicht verträgt. Wenn
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