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I
Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc. 341
Geistige und soziale Strömungen bei der Wiedergeburt
des modernen Okkultismus,
Eine kulturhistorische Studie.
Von Gr. Ij. Dankrnar.
(Fortsetzung von Seite 270.)
Von Aiphonse de Lamartine (1790—1869) haben wir
schon gehört und ihn als „immanuelischen Sängera sanft
rhythmischer Betrachtungen kennen gelernt (der „Meditations4
'), welche zur Zeit ihres Erscheinens grösste Bewunderung
erregten." — Eine freilich oft anempfundene
Frömmigkeit stellte ihn in gewissen Gegensatz zu dem
gefeiertsten Dichter der damaligen Zeit, zu Lord Byron.
Sah man (nach Cuvierh Worten) in diesem den Engel
der Verzweiflung, so in Lamartine den Sänger der Hoffnung
. Lamartine schreibt auch einen „dernier chant de
pelerinage de Childe Harold", in welchem Harold bei einem
frommen Einsiedler stirbt. 1836 erschien „Jocelyn", ein Epos
in 9 „Epoques", das Tagebuch eines Landpfarrers, das
Beste, was Lamartine geschaffen hat, eine Verherrlichung
der bürgerlichen Pflichten eines echten Dieners Christi. Zu
verweisen ist besonders in der VI. Epoche auf die Briefe
an die Schwester, in denen das faustische Suchen Jocelyn's
nach Wahrheit und sein Trost, den er in Thomas a Kempis
„Nachfolge Christi*4 findet, geschildert wird; in der VII.
Epoche auf den festen Glauben Jocelyn's an die Unsterblichkeit
bei dem Tode der Mutter. 1839 erschien der „Fall
eines Engels", zu welchem Epos Lamartine offenbar durch
Byron'$ „Himmel und Erde" angeregt wurde. Es ist in
15 Gesichten nebst einem Epilog geschrieben und behandelt
die Liebe des Engels. Cedar zu Daidha; ihr zu Liebe wird
er Mensch, obwohl er dadurch Qual und Verdammniss durch
mehrere Verkörperungen hindurch auf sich nimmt. „Tropfenweise
muss er sieh die Unsterblichkeit zurückerkaufen41
(IL Gesicht). Das geschieht durch ein Meer von übermenschlichen
Qualen und Leiden, die Cidar und seine Daidha,
mit ihren Kindern, durch Menschen und durch Götter, mit
denen offenbar die vorsintflutlichen Enacsöhne (I. Mos. 6.)
gemeint sind, leiden. Letztere sind in ihrer Scheusslichkeit
mit Dante's Phantasie geschildert. Die fürchterlichen Bilder,
welche sich vom X. Gesicht ab entrollen, haben in der
Weltliteratur kaum ihres Gleichen. Hervorheben wollen
wir bloss Einiges (aus dem XIII. Gesicht), wo Bruchstücke
eines Urbuches stehen, die stellenweise erhabene Gedanken
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