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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc. 343
biographie sagt) „sein Herz aus der Brust und presste
es in seiner Hand zusammen, um nur die Vernunft zu
hören." Er trat für das Volk ein, das seit drei Tagen
kämpfte, „um endlich einer perfiden Regierung sich zu
entledigen." Er war es, der das Volk zum Stadthause
dirigirte und dann, am Abend desselben Tages, kam der
grosse Augenblick seines Lebens: er stellte — nach
Louis ßlanc — den Antrag auf Errichtung der Republik:
„C'est un acte de citoyens que nous voulons faire, le reste
n'est plus dans nos mains, Messieurs, le reste est dans les
mains de Dieu." In der provisorischen Regierung wurde
ihm das Ministerium des Aeussern zuertheilt. (Was für
eine Rolle er als solcher gespielt, werden wir bei Besprechung
der Februar-Revolution erfahren,)
Lamartine, obwohl als Lyriker sehr begabt, konnte doch
nie als Epiker (Grosses von bleibendem Werte schaffen. Weh«
müthige Molltöne überall, aber keine Kraft. Phantastik und
und Empfindelei, bei ermüdender Länge der Gedichte und
Epen. Dabei zeichnet ihn (in seinen „Memoires") ein kokettes
Fosiren und Betonen seiner Schönheit, die er nicht genug
beschreiben kann, aus. So war er denn auch stets mehr Schönredner
, als ein aus innerster Ueberzeugung sprechender
Oppositionsmann und, obwohl er während der Februar-
Revolution viel persönliche» Muth bewies und vielem Blut-
vergiessen und mancher Thorheit steuerte, wollte er doch,
als Aristokrat, von der demokratisch-sozialen Republik nichts
wissen. In seiner „Histoire de la Revolution de 1848"
(auf die wir später nochmals kommen werden) ist er, wie
in seiner „Girondistengeschichte", mehr novellistisch, als
gründlich und spitzt alles auf Ueberraschungen und Romaneffekte
zu, seine eigene Person, deren Blicke und Lächeln
er genauestens beschreibt, in den Vordergrund stellend. Er,
in dessen Hand einst eine grosse Macht gelegt war, den
Jules Janin einst den „Gott, von dem alles neu beginnt",
genannt hatte, starb arm. Seine Dichtungen sind heute fast
vergessen; er gehörte zu den Götzen des Tages und mit
dem Tage schwand er; aber sein seraphisch-weisses Sängergewand
hat er niemals mit einer unedlen That beschmutzt.
Charles Nodier (1783- 1844), als Philologe und Theaterkritiker
verdienstlich, ist einer der Ersten, der den Roman
im Sinne der französischen Romantik schuf und zwar unter
deutlicher Anlehnung an den Deutschen Th. A. Hoff-
*) Emst Theodor Amadeus Boffmarm, geb. 1776 zu Königsberg
in Pr., 1800 Begierimgsassessor in Posen, 1804 Regierungsrath in
Warschau, später Musikdirektor in Bamberg, Dresden und Leipzig,
fühlte ein unstet liederliches Leben, wurde 1814 Eath beim Kammer-
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