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Dankmar: Geistige und soziale Strömungen etc. 345
Nodier's: „Letztem Bankett der Girondisten" haben wir
schon (in Theil A) gehört. In politischer Hinsicht war
Nodier geborener Frondeur, er bekämpfte jede Regierung.
,,Unter der Republik war er Christ, unter Bonaparte halb
öirondist, halb Cbouan*), unter Karl X feierte er die Helden
des Convents" sagt Julian Schmidt**). In seinem „Jean Sbogar",
einem Räuberroman? dessen Held ein illyrischer Karl Moor
ist, lässt er diesen das für diese Zeit so charakteristische
Wort sagen: „Gieb mir eine Kraft, die sich den Namen
Gesetz beilegt und ich will dir einen Diebstahl zeigen, der
den Namen des Eigenthumes führt. Die Freiheit ist nicht
so selten. Der Starke hat sie in der Hand, der Reiche
im Beutel."
Was Beranger in der Poesie thut, das that der grösste
aller Pamphietisten***) in der Prosa: die stupiden Bour-
bonen mit ihrem weissen Schrecken bekämpfen. Paul Louis
Courier de Mere (1773—1825), der bestgehasste und am meisten
verfolgte Schriftsteller unter der Restauration, wie Engel
sagtf), ist ein SpraehHinstler ersten Ranges, der in seinem
Spott und vernichtendem Hohne, der Fülle seines paradoxen
Witzes dem ..weisen Narren" von Meudon, Francois Rabelais.
gleicht. Seine genialen Flugschriften, in denen er Regierung
und Kirche bis aufs Blut geisselte, erregten ungeheure
Sensation. Er, der Adelige,' der, nachdem er unter Napoleon
gedient hatte, als Weinbauer in der Touraine lebte, war
m/tmi des 18. Jahrhunderts41, wie man Jacques Cazotte nennen kann,
lebhaft angezogen. Er gab auch dessen „Diable amoureux" neu
heraus und erwähnte in der Vorrede dazu Cazotte's bekannte Weissagung
.
*) Chouans (eigtl. „Nachteulen41, ein ursprünglich den Schmugglern
an der bretonischen Küste beigelegter Spitzname) hiessen bekanntlich
die treuen Royalisten in der Bretagne, welche die Erhebung
der Vend£e unterstützten. — Red.
**) Julian Schmidt: ;Geschichte der französischen Litteratur seit
der Revolution 1789". II. Bd., IV, S. 220.
***) Pierre Jean de Beranger (1780—1857) haben wir flüchtig im
Theil A schon erwähnt. Er war ein durch und durch charaktervoller
, edler Mann, unehelicher Enkel eines armen Schneiders^der
Bache des Volkes stets treu ergeben. Er ist der Schöpfer der demokratischen
Chansons und des politischen Spottliedes. Er verherrlicht,
als Patriot, Napoleon i., er verhöhnt die Bourbonen, er verspottet die
rückständigen Emigranten, er überhäuft die „heilige Allianz44 (indem
er jn „La sainte alJiance barbaresque* das Bündniss der Seeräuber-
stnaten Algier, Tunis und Marocco feiert) mit Spott, er ruft endlich
„Peuples, formez une sainte alliance et donnez-vous la main!* Er
singt für den Mittelstand und die Arbeiter; er tröstet die Armen:
„Les gueux, les gueux sont les gens heureux/ Von 1830 ab schweigt
er, sein Werk war gethan.
t) M. Eitffit: „Geschichte der französischen Litteratur von ihren
Anfängen bi& auf die neueste Zeit\ V, 6, S, 418,
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