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y. Seeland: Die Logik der materialistischen Lehre etc. 359
sie auch bis jetzt in vielen Fällen der näheren Beobachtung
entschlüpfte und daher keine allgemeine Anerkennung ge-
niesst. Da die hier berührte JPrage bisher nur Wenige
interessirt, selten untersucht und nach Verdienst gewürdigt
worden ist, so habe ich schon früher eine gewisse Anzahl
von beweisenden logischen Beispielen dieser Art angeführt;*)
hier jedoch muss ich mich in aller Kürze fassen. Erschütterungen
, fieberhafte Krankheiten, akute Schmerzen, Hunger,
Durst u. dergl. können, sobald sie überstanden sind, eine
wohlthätige Nachwirkung haben, infolge deren entweder,
wie schon gesagt, frühere chronische Krankheiten verschwinden
, oder, falls es sich um bisher gesunde Individuen handelt,
eine gesteigerte Lebensenergie sich einstellt. Da wir
aber solche Ausgleichungen in vielen Fällen nicht eintreten
sehen, da selbst in jenen, wo es dem Lebenden mehr oder
weniger nach Wunsch geht, schon das schliessliche
Verzichtenmüssen auf das Dasein eine durch nichts
zu beschönigende Ungerechtigkeit wäre — wovon später
mehr —, so kommt der Mensch darauf, nicht nur die Ausgleichung
des ihm hienieden Angethanen in einer künftigen
Existenz zu wünschen, sondern eine solche auch für
wahrscheinlich zu halten, da nicht einzusehen ist, warum
sich das Ausgleichungsvermögen derselben Natur dermaassen
widersprechen sollte, warum nicht eher zu erwarten wäre,
dass, was ihr unter gewissen Umständen nicht gelang, ihr
unter anderen, d. h. in Zukunft gelingen müsse. Ja es
giebt gewisse Beobachtungen, die uns berechtigen, anzunehmen
, dass sich das Ausgleichungsvermögen nicht blos
im Individuum, sondern in der Gattung zu zeigen vermag.
Doch soll deren Besprechung später ihren Platz finden.
Hier beschränke ich mich darauf, vorläufig anzudeuten, dass
der von den Materialisten als „unwissenschaftlich" so sehr
verhöhnten Idee des Dualismus von Seele und Leib als
deren Substrat im Gegentheil eine allbekannte, nur von
den Materialisten nicht recht bemerkte und gewürdigte
Thatsache zur Stütze dient. Lange nicht alle Kräfte sind
nämlich so konstant an gewisse Stoffarten gebunden, wie
wir dies — und auch dies in bedingter Weise — an den
chemischen sehen. Mechanische Bewegung, Wärme, Licht,
Elektrizität u. s. w. wechseln öfters ihr Substrat,
und das heisst: obwohl wir sie stets an irgend einen
Stoff gebunden, besser ausgedrückt, sie denselben beleben
sehen, so vermögen sie dennoch sich gegenüber
*) Siehe S. 199—215 meines Buches „Gesundheit und Glück", Dresden
1895 (jetzt Oswald Mutzei Leipzig).
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